Die Rechnung bitte!

TRANSPARENZ Angela Merkels Barbecue für George W. Bush gilt als „teuerste Grillparty der Geschichte“. Bis heute sagt keiner, was die Sause in Trinwillershagen 2006 gekostet hat. Der Häftling Thomas Meyer-Falk will das genau wissen, er klagt auf Akteneinsicht. Weil er es kann

Das Recht: Die Gesetze zur Informationsfreiheit kehren den Grundsatz um, wonach für Akten das Amtsgeheimnis gilt. Jeder darf bei öffentlichen Stellen Einsicht beantragen, auch ohne persönlich betroffen zu sein. Das Interesse muss nicht begründet werden.

Die Ausnahmen: Behörden dürfen Anträge ablehnen, wenn die Herausgabe die Privatsphäre verletzen würde. Tabu sind auch sicherheitsrelevante Akten. Das Betriebsgeheimnis wird nur mit Einverständnis der Firmen gelüftet.

Die Gültigkeit: Brandenburg beschloss 1999 das erste Gesetz, zehn Länder folgten bisher. Für den Bund gilt das Recht erst seit 2006.

Die Zukunft: Kritiker bemängeln die teilweise hohen Gebühren, die Behörden bisher für Auskünfte verlangen. Außerdem fordern sie bessere Klagemöglichkeiten. Weil vielen Bürgern ein Rechtsstreit wegen hoher Prozesskosten zu teuer ist, fordert der Datenschutzbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern, im Notfall selbst als Kläger einspringen zu dürfen.

AUS TRINWILLERSHAGEN UND BRUCHSAL ASTRID GEISLER

Für Olaf Micheel schien der Fall klar: „Wer bestellt, der bezahlt. Punkt.“ Der Wirt steht zwischen Sonnenschirmen auf einem mit grauen Verbundsteinen gepflasterten Stück Erde, das er jetzt Bush-Terrasse nennt, zeigt auf den Parkplatz seines Gasthofs „Zu den Linden“. Dort, hinter dem Geranienkübel, stand der Grill mit der aufgespießten Wildsau, die er persönlich erlegt, ausgenommen, gewürzt und gedreht hatte für den Staatsgast. Micheel sagt „George Walker Bush“, so als klinge „Dabbelju“ zu abschätzig.

Er lächelt versonnen, wenn er sich erinnert: Wie sein Töchterchen damals den US-Präsidenten und die Bundeskanzlerin zum Abendessen hier in Trinwillershagen, einem Dorf in Nordvorpommern, begrüßen sollte und vor Aufregung nur die Hand in den Mund steckte. Und wie er selbst dann die Staatsgäste ans Feuer bat: „Mr. President, das Wildschwein ist fertig!“

Die Tochter ist mit der Mutter inzwischen ausgezogen, die Erinnerungsfotos sind staubsicher in einer Glasvitrine untergestellt. Doch jetzt hat Olaf Micheel in der Lokalzeitung gelesen, dass der Streit um den Staatsbesuch von George Bush bei Angela Merkel wieder losgeht. Micheel, 41 Jahre, ist ein politischer Mensch, er sitzt für die CDU im Gemeinderat und im Kreistag Nordvorpommern. Aber warum die Republik über die Kosten dieser „teuersten Grillparty der Geschichte“ stritt, das verstand er schon damals im Juli 2006 nicht. Die paar Millionen für den Polizeieinsatz – wären die nicht sowieso hin und her geschoben worden? Er selbst habe ja übrigens gerade einmal zehntausend Euro an dem Abend verdient: „Pillepalle!“ Micheel zieht die Augenbrauen hinter seiner randlosen Brille hoch. „Und nun klagt ein inhaftierter Mensch auf Herausgabe der Polizeirechnungen, weil er das Ganze für Steuerverschwendung hält.“ Der Wirt klingt jetzt scharf. „Da würde ich gerne wissen: Wer zahlt am Ende für diesen Spaß? Und was kostet seine Haft den Steuerzahler?“

Nicht nur Politiker waren an jenem heißen 13. Juli 2006 zu Besuch in Trinwillershagen. Polizisten hatten das 700-Einwohner-Dorf auf halbem Weg zwischen Rostock und Stralsund abgeriegelt, Gullydeckel versiegelt, Nistkästen durchleuchtet, Taucher hatten den Teich vor dem Gasthof durchkämmt, Schützen standen auf den Dächern. 12.225 Polizeibeamte aus fünfzehn Bundesländern taten Dienst in Nordvorpommern, damit die Bundeskanzlerin dem Cowboy unter den Staatschefs ihren ländlichen Wahlkreis zeigen, ihm im ehemaligen sozialistischen Vorzeigedorf Trinwillershagen ein deftiges Barbecue spendieren und viele harmonische Bilder in die Welt schicken konnte. Der bis dahin größte Polizeieinsatz in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns – ein umstrittenes Millionenprojekt.

Nachspiel in Schwerin

Am kommenden Freitag verhandelt das Schweriner Verwaltungsgericht noch einmal über das Wildschweinessen und seine näheren Umstände. Ein Häftling aus Baden-Württemberg will alle Rechnungen sehen, die das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern von anderen Bundesländern für die Aushilfe mit Polizeitrupps bekam. Thomas Meyer-Falk heißt der Mann, und er hat schon viele Gerichte dazu gebracht, sich mit seinen Anliegen zu befassen. Die Bild-Zeitung nennt ihn den „nervigsten ,Knacki‘ Deutschlands“. Der Kläger beruft sich auf das Informationsfreiheitsgesetz, ein neues Bürgerrecht, das in den vergangenen Jahren im Bund und in elf Ländern eingeführt wurde. Es sollte eigentlich den Behördenalltag revolutionieren: Eine für alle transparente Verwaltung, in der das Amtsgeheimnis nur noch in Ausnahmefällen gilt – das war die wunderbare Idee. Doch viele Behörden mauern weiter.

Auch das Schweriner Innenministerium weigert sich, die Polizeirechnungen herauszugeben. Es findet, es habe die Neugierde der Öffentlichkeit mit einer groben Auflistung der Polizeikosten längst bedient. 5,7 Millionen Euro wurden dem Land demnach für den Großeinsatz in Rechnung gestellt. Die Zahlen finden sich in zwei Antworten auf parlamentarische Anfragen der NPD-Fraktion im Landtag. Das Ministerium will den Fall eigentlich nicht mehr kommentieren. Dann sagt die Pressesprecherin doch etwas: „Da sieht man mal, welche Blüten dieses Informationsfreiheitsgesetz so treibt!“

Gut sieht es nicht aus für das Innenministerium. Das Gericht hat dem Kläger vorab Prozesskostenhilfe bewilligt – das darf es nur, wenn er tatsächlich Aussicht auf Erfolg hat. Und auch der Landesdatenschutzbeauftragte appelliert an das Ministerium, die Rechnungen endlich herauszugeben. Schon 2008 widmete er dem Fall in seinem ersten Jahresbericht zum Informationsfreiheitsgesetz eine ganze Seite und rügte die Blockadetaktik der Bürokraten. Jetzt drückt er dem klagenden Straftäter die Daumen.

Man könnte also folgern: Hier hatte der Falsche die richtige Idee. Nur kennt das Informationsfreiheitsgesetz keine Falschen. Das Recht, Behördenakten einzusehen, steht jedem zu. Dem Bundespräsidenten genauso wie einem japanischen Touristen. Oder eben diesem Schwerverbrecher aus Südbaden.

Es ist zwölf Uhr, Besuchszeit im Bruchsaler Gefängnis, achthundertfünfzig Kilometer südöstlich von Trinwillershagen. Der Wärter führt einen kräftigen, blassen Mann herein in den Besucherraum. Eine fensterlose Kammer, grau wie das alte Linoleum am Boden, der quadratische Tisch ist mit dicken Schrauben im Fußboden verankert, auch die Stühle lassen sich keinen Millimeter verrücken. Hinter einer verbeulten Spiegelglaswand sitzen Beamte, sie überwachen jede Bewegung. Ein vergleichsweise angenehmes Ambiente für Thomas Meyer-Falk. Es gab Zeiten, da durfte er selbst seinen Verteidiger nur durch eine Trennscheibe aus Panzerglas sprechen. Damals galt er als besonders gefährlicher Gefangener. Fast elf Jahre hat er in Einzelhaft verbracht, noch bis 2007.

„Im Kern“, schimpft der Datenschutzbeauftragte, „geht es auch um obrigkeitsstaatliches Denken“

Heute sitzt da ein Mann im schwarzen Trainingsanzug, grüßt höflich und legt einen schwarzen Ordner auf den Tisch. Thomas Meyer-Falk ist zwei Jahre jünger als der Wirt in Trinwillershagen, sieht aber älter aus. Vielleicht wegen seiner gepflegten Glatze, die er als linker Skinhead trägt, dem ergrauten Ziegenbärtchen und der einfachen Metallbrille mit großen Gläsern. Insgesamt neunzehn Jahre hat er im Gefängnis gelebt, die meisten davon hier in Bruchsal, Flügel 3, Einzelzelle, 8,4 Quadratmeter, vor dem Fenster die Wand einer Sporthalle.

Geiseln für die linke Sache

Über seine Karriere sagt er nicht viel: Gymnasium abgebrochen, Ausbildung in einer EDV-Firma begonnen, 1991 ein Tankstellenüberfall, dann eine Kaufhauserpressung. Wie man ein Kaufhaus erpresst? „Bitte bezahlen Sie den Betrag X, sonst passiert Y“, antwortet Meyer-Falk lapidar. Mit zwanzig Jahren kommt der Lehrersohn zum ersten Mal in Haft. Kaum entlassen, überfällt er 1996 eine Sparkasse, nimmt sechs Menschen als Geiseln, fesselt sie mit Klebeband, versetzt sie mit Warnschüssen in Todesangst, fordert 5 Millionen Mark, ein Fluchtauto. Nach vierzehn Stunden ergibt er sich.

Nur vier Jahre nach der Geiselnahme steht Meyer-Falk wieder vor Gericht, in der Haft hat er Morddrohungen gegen Richter, Staatsanwälte und Politiker verfasst – Marke: „Irgendwann komme ich raus und töte dreckige Juristenschweine.“ Danach gefragt, sagt Thomas Meyer-Falk heute nur: „Das ist ein Punkt, über den ich nicht sprechen möchte.“ Er halte nichts von Reuebekundungen. Lieber erläutert der Häftling, dass er mit dem Bankraub damals Geld für linke Projekte beschaffen wollte – für autonome Zentren, anarchistische Gruppen, Jugendhäuser. Hätten Jugendhäuser denn Geld aus einer Geiselnahme akzeptiert? „Ich wollte das Geld einfach spenden“, sagt er, als wäre das eine Selbstverständlichkeit.

Sein Antrag auf vorzeitige Entlassung wurde im vergangenen Jahr abgelehnt, der Gutachter attestierte ihm eine „ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörung“. Eine Therapie will der Häftling nicht machen. Nach dem Ende seiner regulären Haft steht ihm Sicherheitsverwahrung bevor.

Er blättert in seinem schwarzen Ordner, liest vor aus Schriftwechseln mit Justizbehörden, Rechtsanwälten, Gerichten. Es ist nur eine winzige Auswahl seiner Korrespondenzen.

Niemand überblickt mehr, was Thomas Meyer-Falk in neunzehn Haftjahren so alles gefordert, beklagt und erstritten hat. Jahrelang überzog er die JVA Bruchsal mit Klagen in eigener Sache, einige hundert dürften es gewesen sein. Die Unterlagen füllen eine Regalwand in der Geschäftsstelle des Gefängnisses. Als ein Gericht einmal seine Personalakte verlangte, musste ein Lkw voller Akten ausrücken. Die für ihn zuständige Abteilungsleiterin, Sonja Göbel, erzählt: „Früher hab ich oft gesagt: Wenn der mal nicht mehr hier ist, muss ich nur noch halbtags arbeiten.“

Meyer-Falk kämpfte um Briefumschläge, die ihm die Gefängnisleitung vorenthalten habe, er reichte Petitionen ein, focht Wahlen an. Seine Klage für ein Recht auf Mohnbrötchen im Gefängnis schaffte es bis in die überregionalen Nachrichten. Selbst die taz blieb von seinem Eifer nicht verschont. Als Bezieher eines kostenlosen taz-Abos für Gefangene beschwerte er sich erfolgreich beim Presserat über einen Artikel. Später erschien sein Name auf einer Liste aller Kandidaten für den Panter Preis in der taz. Überschrift: „Helden sowieso“. Meyer-Falk weiß noch, wer ihn nominierte. „Da war ich wohl narzisstisch und hab mich selbst vorgeschlagen.“

Diese Frage gefällt ihm

In der Szene gilt Meyer-Falk als „politischer Gefangener“, das Label hat er sich selbst verpasst

Als im Sommer 2006 die Bilder von der transatlantischen Grillparty in Trinwillershagen um die Welt gingen, saß Thomas Meyer-Falk noch in Einzelhaft. Er hörte Radio, las Zeitung und bekam die Diskussionen über die Kosten mit: Hatte der Polizeieinsatz nun Zehn Millionen Euro gekostet? Acht Millionen? Oder doch „nur“ sechs? Das war eine Frage, auf die kein Journalist eine Antwort wusste. Eine Frage, die auch Thomas Meyer-Falk gefiel.

So verfasste der Häftling einen Auskunftsantrag an das Schweriner Innenministerium – für einen wie ihn eine kleine Sache. Er beantragte nicht nur Einsicht in die Polizeirechnungen, sondern erbat noch ein paar andere Dokumente, darunter das SEK-Einsatzhandbuch für Geiselnahmen. Diesen Antrag habe er natürlich „scherzhaft“ gemeint, sagt Meyer-Falk. Ein scheues Lächeln huscht über sein Gesicht.

„Ich hatte damals vor, einen Artikel zu schreiben“, erzählt Meyer-Falk. Thema: „Was wird für eine Grillparty mit dem US-Präsidenten ausgegeben und was wird im Strafvollzug gespart?“ Inzwischen würde er gerne prüfen, ob die vom Innenministerium herausgegebenen Zahlen stimmen. Außerdem fänden sich in den Rechnungen der einzelnen Länder vermutlich auch ein paar aufschlussreiche Details, erläutert er. Zum Beispiel die Kosten für Polizeihunde und deren Verpflegung. „Polizeihund aus Sachsen hat mehr Anspruch auf Futter pro Tag als Gefangener“ – so eine Überschrift, die würde ihm gefallen.

Der Umgang mit Inhaftierten wie ihm ist Thomas Meyer-Falks liebstes Thema. Seine Texte finden sich auf Dutzenden Seiten im Internet, obwohl er selbst nur auf einer mechanischen Schreibmaschine tippt. Aber Meyer-Falk hat Helfer draußen. In der links-anarchistischen Szene genießt er einen Ruf als „politischer Gefangener“ – ein Label, das er sich vor Jahren selbst verpasst hat. Seine Unterstützer betreuen zwei persönliche Websites für ihn. Sie haben kürzlich sogar ein Sachbuch mit einigen seiner Texte in den Handel gebracht.

Früher stapelten sich in der Bruchsaler Justizverwaltung die Beschwerden des Häftlings Thomas Meyer-Falk. Inzwischen sind sie seltener geworden. Der Anstaltsleiter Thomas Müller weiß auch, warum: „Seit es das Informationsfreiheitsgesetz gibt, hat er eine neue Spielwiese.“ Müller könnte jetzt strahlen, doch er blickt skeptisch. Natürlich habe jeder das gute Recht, solche Auskunftsanträge zu schreiben und Prozesse um Behördenunterlagen zu führen. „Aber unser Ziel ist es, die Häftlinge auf das Leben in Freiheit vorzubereiten.“ Und selbst wenn jemand aus dem Gefängnis heraus erfolgreich die Bundeskanzlerin verklage, komme er deshalb noch nicht allein draußen klar.

Am anderen Ende Deutschlands gerät ein Behördenchef ins Schwärmen, wenn er über den Fall Meyer-Falk spricht: „Es ist gut, dass das jetzt endlich vor Gericht kommt!“ Für Karsten Neumann, Datenschutzbeauftragter von Mecklenburg-Vorpommern, beweist das Verfahren nicht nur, wie widerwillig einige Behörden noch immer das neue Bürgerrecht auf Akteneinsicht umsetzen. Es zeigt auch Schwächen des Gesetzes – die schlechten Beschwerdemöglichkeiten der Bürger etwa. Bisher seien überhaupt nur zwei Klagen in Mecklenburg-Vorpommern vor Gericht gelandet, sagt Neumann. Und es sei kein Zufall, dass eine davon aus dem Gefängnis komme. Denn für den Normalbürger sei solch ein Verfahren viel zu teuer – nur ein mittelloser Kläger bekomme den Prozess vom Staat bezahlt.

Immerhin, findet Neumann. Er ist „total optimistisch“, dass Thomas Meyer-Falk vor Gericht gewinnt. Die abwimmelnden Argumente des Innenministeriums machen ihn sauer. So versichert die Behörde, sie dürfe die Rechnungen nicht herausgeben, weil es in einigen Bundesländern, aus denen die Forderungen kamen, bis heute keine Informationsfreiheitsgesetze gebe. „Schwachsinn!“, ruft Neumann. „Kindergartenniveau!“ Wenn der Schweriner Minister eine Rechnung aus München geschickt bekomme, gehörten ihm natürlich auch die Informationen darin. Und wenn ein Antragsteller die Originaldokumente verlange, dann dürfe man ihn nicht mit Parlamentsanfragen abspeisen, wie es das Ministerium versuche. „Im Kern“, schimpft er, „geht es hier auch um obrigkeitsstaatliches Denken im Innenministerium.“

Gullydeckel versiegelt, Nistkästen durchleuchtet, Scharfschützen überall – George Bush kann kommen

Thomas Meyer-Falk verkneift sich solche Formulierungen im Besucherraum des Gefängnisses. Er spricht von einem „Lernprozess“, den er durchlaufen habe: Heute bevorzuge er Verfahren, die ihm keine zusätzlichen Strafen bringen. Dass er vor dem Jahr 2023 entlassen wird, glaubt er nicht mehr. Die Behördenanfragen sind für ihn mehr als nur ein Zeitvertreib. Informationen aus der fremden Welt da draußen in den Knast zu lotsen – das ist seine kleine Freiheit. „Mir gibt das viel Sinn“, sagt er, „es gibt mir Struktur und ein Stück weit auch Selbstbestätigung.“ Und natürlich hätten alle Klagen eine zweite Botschaft: „Hallo, hier bin ich, ich leb noch!“

In Trinwillershagen grinst der Wirt Olaf Micheel zufrieden, als er von dem Strafmaß für Meyer-Falk hört. „Sicherheitsverwahrung? Das ist gut!“ Sollte dieser Mann eines Tages doch mal bei ihm zum Essen vorbeischauen, sei er gerüstet. Er habe das Wildschwein für Bush ja schließlich auch selbst erlegt. Micheel lacht laut über seinen Witz. Dann telefoniert er den Bürgermeister her. Klaus-Dieter Tahn, 64, parteiloser Unternehmer, durfte den US-Präsidenten auf dem Sportplatz am Hubschrauber empfangen. „Kennen Sie das Foto, wo Bush mir auf die Schulter klopft?“, fragt Tahn stolz. Er findet, der Staatsbesuch sei damals „perfekt“ gelaufen.

Wildschwein à la Bush

Für das Informationsfreiheitsgesetz bringt Tahn weniger Begeisterung auf: „Das sind Regeln, die keinem nützen, sondern nur Geld kosten!“ Eine demokratisch gewählte Kanzlerin müsse doch entscheiden dürfen, wann und wo sie den US-Präsidenten empfange. Zumal dieser Besuch vor vier Jahren ja „einen tiefgründigen Sinn“ gehabt habe. Dann faucht Tahn: „Dieser Mann hat selbst dafür gesorgt, dass er in Haft sitzt. Der soll erst mal sein Leben in Ordnung bringen und die Normen erfüllen.“

Der Wirt des Gasthofs „Zu den Linden“ kann dem bevorstehenden Gerichtstermin immerhin eine gute Seite abgewinnen. Für sein Geschäft, sagt Micheel, sei das alles kostenlose Werbung. Seit der US-Präsident bei ihm zu Gast war, hat er die Speisekarte erweitert. Man bekommt bei ihm jetzt „Wildschwein à la Bush“. Ab und an stoppen Reisebusse auf der Rückfahrt von Rügen, die Urlauber defilieren vorbei an der beleuchteten, mit Stars and Stripes ausgekleideten Vitrine im Foyer, bestaunen die handschriftliche Dankesnote von George Bush, den Kugelschreiber mit der goldenen Namensgravur, die Erinnerungsfotos mit Bush im Freizeithemd und der Kanzlerin in Jeans. Und zum Abschluss wird, genau wie damals, draußen am offenen Feuer das krosse, triefende Schwein angeschnitten. Nur ohne Scharfschützen auf dem Dach.

Astrid Geisler, 35, ist taz- Reporterin