Wechselseitige Bereicherungen

ZITATE Liebeserklärungen klingen besser auf Türkisch, schwarzen Tee kann man auch aus Tequilagläsern trinken: Wie die türkischen EinwanderInnen unser aller Leben verändert haben

■ türkischstämmige Politikerin in einem deutschen Parlament war Sevim Celebi Gottschlich. 1987 zog sie als Parteilose für die Grünen ins Berliner Abgeordnetenhaus ein.

■ Erste türkischstämmige Bundestagsabgeordnete waren 1994 Leyla Onur (SPD) und der Grüne Cem Özdemir, der seit 2008 auch der erste deutsche Parteivorsitzende mit türkischem Migrationshintergrund ist.

■ Erste türkischstämmige Ministerin in einer deutschen Landesregierung ist seit 2010 die Christdemokratin Aygül Özkan. Die Juristin wurde in Niedersachsen zur Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration ernannt.

„Türken und insbesondere Türkinnen veränderten mein Leben in den siebziger Jahren. Mit in der Migration und der Frauenarbeit engagierten Frauen suchten wir türkische Frauen bei der Arbeit in Schrebergärten auf, lernten sie kennen, erfuhren von ihrem Zuhause und ihrem Leben in Deutschland. Wir wollten wissen, was uns verbindet, was uns trennt. Solche Prozesse brauchen Zeit, das Lernen hört nicht auf. Und schon gar nicht die wechselseitige Bereicherung.“ Rita Süssmuth, CDU, ehemalige Bundestagspräsidentin

„Ich weiß, wie richtige Pfirsiche schmecken und dass türkische Schwiegermütter sehr guten deutschen Apfelkuchen backen können. Ich habe erfahren, dass meine Frau genauso begeistert Kartoffelsalat isst wie ich Reis. Ich habe verstanden, warum mein Sohn mit gleicher Inbrunst Fan von Galatasaray und vom VfB Stuttgart ist. Ich habe herausgefunden, wo man in Istanbul im Basar den besten Safran und in Antakya die feinste Baklava findet. Ich habe gelernt, dass Türkisch nur auf den ersten Blick schwer, ansonsten aber recht logisch aufgebaut ist.“ Nils Schmid, baden-württembergischer SPD-Vorsitzender mit türkischstämmiger Ehefrau

„Ich habe gelernt, dass Beziehungen nicht so formalisiert sein müssen, wie ich das kannte. Es geht um Wertschätzung und man muss auf Zwischentöne und Unausgesprochenes achten. Da bin ich nicht selten in Fettnäpfchen getreten. Auch heute weiß ich nicht immer, ob ich richtig oder falsch reagiere. Aber zumindest weiß ich, dass man sensibilisiert dafür sein muss.“ Martin Düspohl, Leiter des Kreuzberg-Museums in Berlin

„In unserem Werk gibt es viele Familien, die zunächst als sogenannte Gastarbeiter zu uns kamen und deren Kinder oder Enkel im Unternehmen inzwischen als Führungskräfte Karriere machen. Die tägliche Zusammenarbeit mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis hat unsere gegenseitige Sensibilität und unser gemeinsames Verständnis für unterschiedliche Denkweisen und Verhalten geschärft.“ Willi Reiss, Leiter des Mercedes-Benz-Werks in Sindelfingen

„Ich habe gelernt, dass man auch aus Tequila-Gläsern sehr gut türkischen Tee trinken kann. Und dass beim Fußball Latinos und Türken ähnlich verrückt sind.“ Pia Castro, aus Argentinien stammende Ehefrau von Grünen-Chef Cem Özdemir

„Das Lernen hört nicht auf“

RITA SÜSSMUTH, CDU

„Ich bin in Hamburg in einem ‚sozialen Brennpunkt‘ groß geworden. Die türkische Sprache habe ich auf der Straße gelernt. Später habe ich angefangen, selbst türkische Musik zu machen. Die Türken finden das sensationell, die Deutschen sind eher erstaunt, dass ein Deutscher türkische Lieder singt.“ Mario Rispo, Sänger

„Als Doris Schneider heiratete ich Metin Öztürk (gespielt von Adnan Maral) und gründete mit ihm eine deutsch-türkische Patchworkfamilie. Bis dahin begrenzte sich mein Kontakt mit der türkischen Bevölkerung auf das Einkaufen in türkischen Gemüseläden. Seither versuche ich, Türkisch zu lernen. Eine unglaublich poetische Sprache, in der man Vieles viel blumiger ausdrücken kann als im Deutschen. Liebeserklärungen würde ich lieber auf Türkisch als auf Deutsch machen.“ Schauspielerin Anna Steiblich spielte die Doris Schneider in der ARD-Serie „Türkisch für Anfänger“

Gesammelt von Marie-Claude Bianco