Wer hat vom 11. September profitiert?
Angst & Ausgrenzung

FOLGEN Cui bono – wem nützt es?, haben wir die taz-LeserInnen gefragt. Nur der Militärindustrie und den Neocons? Oder auch der politischen Debatte? Fünf Antworten lesen Sie hier, viele weitere auf taz.de/streit

Das amerikanische Nationalgefühl wurde durch die Anschläge extrem bestärkt

Es profitieren nur Wenige von den Anschlägen des 11. September. Der Großteil der Bevölkerung leidet unter den strengeren Sicherheitsbestimmungen. Und die muslimische Welt fühlt sich Hass ausgesetzt, der nach den Anschlägen geschürt wurde. Sie werden in der gesamten westlichen Welt bewusst ausgegrenzt statt integriert.  Der größte Profiteur ist und bleibt die Ultrarechtsfraktion der US-Republikaner. Sie hat die amerikanische Angst genutzt, um widerstandslos faschistische Gesetze und Kriege gegen unliebsame Staaten durchzusetzen. Die Großen des Kriegsgeschäfts haben von der steigenden Nachfrage nach Waffentechnologie profitiert. Außerdem haben Spekulanten ihren Nutzen aus gestiegenen Ölpreisen gezogen. Diese Gruppen werden so lange profitieren, wie die Amerikaner größere Angst vor dem Terrorismus haben als vor dem Verlust ihrer Rechte.

Robin Jaede, 17 Jahre, ist Schüler in Stockelsdorf bei Lübeck

Wilders & Wir

Der Kampf gegen den Terror hat die ökonomische Globalisierung betoniert und eine Ausbreitung der darin geborgenen Idee universeller Menschenrechte forciert. Der Sturz Gaddafis ist ebenso eine späte Reaktion auf den 11. September wie die Islamdebatte in Deutschland und anderswo.  Die dadurch in Gang gekommenen Diskussionen waren überfällig. Egal ob es sich um das rechtskonservative Lamento eines Geert Wilders handelt, die biogenetisch fundierte Rhetorik eines Thilo Sarrazin oder die kritisch-liberalen Auseinandersetzungen mit dem Islam aus dem linken Lager. Da in jeder Art „Bewegung“ ein – nicht immer politischer – Zweck und Nutzen liegt, gibt es allerorten Profiteure. Gerade die widersprüchlichen und ausufernden Diskussionen über die reizende Allegorie „Islam“ sind Ausdruck einer bereits seit Langem nötigen Beschäftigung mit ebenso lange erfolgreich verdrängt geglaubten „fremdartigen“ Kulturwerten: der Religion und dem Wissen des Orients. Davon sollten wir buchstäblich alle profitieren.

Michael Bolz, 40, ist Student der Geschichte aus Berlin

Taktik & Taliban

Vom 11. September hat in erster Linie die Bush-Regierung profitiert, besser gesagt das Department of Defense. Es hat durch die Anschläge einen hervorragenden Vorwand erhalten, seine Aggressivtaktiken zu vollständigen Kriegen auszuweiten. Natürlich ging es dabei um mehr als nur den „Krieg gegen den Terrorismus“. Vor allem die Lüge von den „Massenvernichtungswaffen“ wird für alle Zeit mit dem Irakkrieg in Verbindung stehen. Auch der amerikanischen Wirtschaft half der Krieg sicherlich ungemein, da er mehr Waffenproduktion und höhere Investitionen in die Ausbildung des Militärs bedeutet. Nicht zuletzt wurde auch das amerikanische Nationalgefühl durch die Anschläge extrem bestärkt. Das Land war praktisch vom Patriotismus durchtränkt. Wohin das führt, kann man heute gut erkennen. Zwei gescheiterte Kriege. Einer, der den Irak in Trümmern hinterließ, und ein zweiter, der Afghanistan weiterhin in der Hand der Taliban belässt, weil mehr auf aktive Kriegsführung gesetzt wurde als auf langfristige Aufbaumöglichkeiten, durch die sich das Land selbst hätte stützen können.

Alexander Hölken, 17 Jahre, ist Schüler in Remscheid

Die Islamdebatte ist Ausdruck der Auseinandersetzung mit verdrängten Werten

Facebook & Fakten

Soziale Netzwerke wie Facebook sind nicht nur wirtschaftlich betrachtet enorme Profiteure. Es gibt dort ein Bedürfnis, Ängste, Unsicherheiten oder Mutmaßungen zu teilen. Das Internet ist Schauplatz einer Realität und ein Forum für bisher vermeintliche Minderheiten, die nun Gehör und Zuspruch finden. Im besten Fall führt dies, wie in der arabischen Welt gesehen, zum berechtigten Aufbegehren gegen Missstände.

Ohnmacht, so haben wir von 9/11 gelernt, ist keine Option. Auch wenn wir an den Tatsachen nichts ändern können, haben wir immer noch uns. Wir suchen im Internet nach Wahrheit, Lösungen, Trost und Anerkennung. Wir wollen nie wieder untätig zuschauen, wenn etwas geschieht, was nicht akzeptabel ist, oder etwas, was nicht sein darf. Diese Option haben soziale Netzwerke als eine äußerst profitable Nische entdeckt. Bedienen sie doch Realität und Wunsch, Gruppe und Individuum gleichermaßen.

Wenn wir brauchbare Veränderungen über das Netz anschieben können und wenn durch eine handlungsorientierte, aufgeklärte Haltung beispielsweise Hunger und Krankheit ebenso vertrieben werden können wie ein durchgeknallter Diktator, dann bleibt das soziale Netzwerk ein brauchbares Werkzeug, dessen Profit uns allen gehören sollte.

Ralph Nebl, 45 Jahre, ist Musiker und Heilerzieher aus Rottendorf

Politiker & Pässe

In Deutschland profitieren auf jeden Fall rechtslastige Überwachungspolitiker wie Otto Schily und seine Nachfolger. Traumhaft, wie innerhalb weniger Jahre aufgrund des herangeredeten Verfolgungswahns die Sicherheitsgesetze Deutschland zu einem kolossalen Überwachungsstaat gemacht haben. EU-weite Bestrebungen, die Bevölkerung zu kontrollieren, werden mit Hinweisen auf die Terrorismusgefahr in Deutschland noch getoppt. Nehmen wir nur den Personalausweis mit Fingerabdrücken und für Ausländer den elektronischen Aufenthaltstitel (eAT), bei dem schon sechsjährige Kinder Fingerabdrücke abgeben müssen. Hat sich darüber jemand aufgeregt? Ich habe keinen Protest vernommen. All das ist mit horrenden Kosten verbunden. Dank der Privatisierung der Bundesdruckerei und deren Monopol bei der Ausstellung dieser Ausweise muss man nur noch gucken, wer die Betreiber sind, dann weiß man, wohin das Geld fließt und wer da ganz fett Geld auf Kosten der Einwohner abgreift und obendrein eine schicke Datensammlung anlegt. Ach nee, die Daten werden ja nach Herstellung der Ausweise gelöscht. Klar …

Der Name von taz-Userin Boiteltoifel ist der Redaktion bekannt