„Im Mafioso ist keine Sanftheit“

GEWALT Vincenza Rando ist eine der prominentesten Anwältinnen Italiens. Sie vertritt Frauen, die Männer verlassen, die in der Mafia sind. Ein Schritt, den die Frauen mitunter mit dem Leben bezahlen, denn sie haben Komplizinnen zu sein – und Mütter von Söhnen, die sie zu Mafiosi erziehen. Auch Vincenza Rando geht ein großes Risiko ein

■ Die Mafia: Im 19. Jahrhundert entstand auf Sizilien ein Geheimbund, der seine Macht durch Erpressung, Gewalt und politische Einflussnahme festigte. Heute ist „Mafia“ ein Synonym für weltweite organisierte Kriminalität.

■ Das Geld: Laut den sozialpolitischen Informationen der Deutschen Botschaft in Rom vom Januar 2012 setzt die italienische Mafia etwa 130 Milliarden Euro um. Andere Quellen gehen von mehr aus. Längst trete die Mafia nicht mehr nur als Großakteur der Schattenwirtschaft auf, der Geld mit Drogen, Waffen, Menschenhandel, erpressten Schutzgeldern macht, sondern sie breite sich auch im Handel, Tourismus, Baugewerbe, Sport und Gesundheitswesen aus: „Die Mafia mordet nicht mehr, sondern kauft“, steht im Bericht.

■ Die Anti-Mafia-Anwältin: Vincenza Rando, 49, studierte Jura in Palermo. Sie lebt in Modena und arbeitet als Anwältin für die Anti-Mafia-Organisation Libera. Sie betreut Mafia-Aussteiger und Verbrechensopfer, vor allem Frauen.

INTERVIEW EMILIA SMECHOWSKI

Ein Rockstar? Nein, eine Rechtsanwältin! Vincenza Rando heißt sie – hinterherlaufen muss man ihr auch. Die italienische Mafia-Anwältin ist immer auf dem Sprung, zum nächsten Prozess, zur nächsten Konferenz, zum nächsten Termin. Beim Treffen in Berlin kommt sie zu spät, sie stürmt ins Café, bestellt einen doppelten Espresso, zwei Löffel Zucker, spricht sizilianisch-schnell – und schon ist sie wieder weg. Was folgt, sind kurze Telefongespräche – das Interview wird zur Collage. Es stört sie nicht. Randos letzter Mafia-Prozess war so spektakulär wie brutal. Eine Frau hatte ihren Lebensgefährten, einen Mafioso, verlassen, und war daraufhin von ihm ermordet und mit Säure übergossen worden. Rando vertrat die Nebenklägerin, die Tochter des Opfers und des Täters ist.

sonntaz: Frau Rando, wie erklären Sie einer Zwanzigjährigen, dass ihr Vater ihre Mutter ermordet und sie hinterher in 50 Liter Säure aufgelöst hat?

Vincenza Rando: Man erklärt es gar nicht. Wie wollen Sie das denn erklären? Die junge Denise war und ist wahnsinnig tapfer, sie befindet sich auch jetzt, nach dem Prozess, im Zeugenschutzprogramm. Nicht einmal ich weiß, wo sie sich aufhält. Aber wir telefonieren mehrmals täglich.

Was war eigentlich genau geschehen?

Die Mutter von Denise, Lea Garofalo, hatte sich 1996 von ihrem Lebensgefährten, einem Mafioso der kalabrischen ’Ndrangheta namens Carlo Cosco, getrennt. Dass sie damit der Mafia den Rücken kehrte und danach sogar mit der Justiz zusammenarbeitete, wurde ihr zum Verhängnis. Der erste Mordversuch ihres Exfreundes missglückte, den zweiten aber plante er genau. Es war 2009, als er ihr in Mailand auflauerte. Er entführte sie in einem Lieferwagen, schoss ihr ins Genick und überschüttete sie dann mit einem Container Säure. Was von ihr übrig blieb, vergruben er und seine fünf Mittäter auf einem Feld bei Mailand. Eine sogenannte Lupara Bianca – ein Mord ohne Leiche. Ein klassischer Indizienprozess.

Das klingt nicht nur wahnsinnig grausam, sondern auch anachronistisch. Stellt man sich so nicht die Mafia von früher vor? Wie gehen diese archaischen Riten zusammen mit der Vorstellung von einer Mafia, die wie eine Holding operiert?

Das ist ja das Abstruse, bei der Mafia geht beides. Sie hat sich mit den Jahren modernisiert, ja manche nennen die Mafia die größte Firma Italiens. Immerhin schätzt der Einzelhandelsverband den Umsatz aller italienischen Mafias auf insgesamt 140 Milliarden Euro. Es ist auch wirklich selten geworden, dass auf der Straße gemordet wird. Aber es wird gemordet, weiterhin. Im Dunkeln.

Die sechs Täter müssen nun lebenslänglich hinter Gitter. Sie waren im Prozess sowohl Anwältin der Tochter als auch Zeugin. Wie geht das?

Das war auch in der italienischen Justiz eine Ausnahme. Die Staatsanwaltschaft hatte mich gefragt, ob es mir möglich wäre, auch als Zeugin auszusagen. Schließlich hatte ich Lea Garofalo vier Tage vor ihrem Verschwinden noch gesehen – ich war ja lange Zeit nicht nur ihre Anwältin, sondern auch ihre Vertrauensperson. Soweit ich weiß, war es das erste Mal in Italien, dass eine Anwältin auch Zeugin war.

Wie kommt es, dass Sie sich für Frauen einsetzen, die sich von einem Mafioso und damit von der Mafia trennen?

Es begann, wie fast jede Anti-Mafia-Geschichte beginnt: Ich bin in Sizilien aufgewachsen. In Niscemi, einer Kleinstadt im Süden der Insel. Schon als Jugendliche fiel mir auf, wie unlauter unser Bürgermeister war, wie korrupt. Viel später wanderte er auch wegen seiner Mafiazugehörigkeit für mehrere Jahre ins Gefängnis. Das größte Problem in Niscemi – die Stadt hat ja immerhin 25.000 Einwohnern – waren aber fehlende Schulen.

Also fehlender Unterricht?

In Niscemi gab es damals kaum Schulgebäude, Unterricht fand, wenn überhaupt, provisorisch in Mietshäusern statt.

Heißt das, wo keine Bildung ist, hat die Mafia größeren Einfluss auf die Jugendlichen?

Die Mafia will in jedem Fall Erziehung verhindern. Erziehung heißt Aufklärung, heißt selber denken. Die Schule ist der erste Ort, an dem Legalität unterrichtet werden kann, ein Bewusstsein für die Gesellschaft vermittelt werden kann. Zwei Jahre habe ich mich mit anderen zusammengetan, wir haben gekämpft, bis die alten Schulen renoviert waren, sogar eine Ganztagsschule konnten wir durchsetzen, mit Mittagessen und allem. Je mehr Bildung, desto besser – dieses Credo gilt vor allem in Mafialand. Bei denen, die sonst keine Chancen haben, kann Schule prima ansetzen. Erst recht, wenn die Eltern sie nicht über die Mafia aufklären.

Wie war es bei Ihren Eltern?

Meine Eltern sind sehr anständige Menschen. Mein Vater besaß ein bisschen Land …

und da bekam er keine Probleme mit der Mafia?

Nein, er hat sich auf keine Geschäfte eingelassen. Und uns Kindern immer wieder gesagt: Geht, verlasst dieses Land Sizilien. Geht und studiert, macht was aus euch.

Das haben Sie getan?

Ja, aber Sizilien noch nicht verlassen. Mein Jurastudium wollte ich in Palermo machen. Dort und auf bestimmten Juristenkonferenzen lernte ich Giovanni Falcone und Paolo Borsellino kennen.

Die berühmten Anti-Mafia-Richter, die vor genau zwanzig Jahren bei zwei Attentaten von der Mafia getötet wurden.

Sie waren so etwas wie meine Ziehväter, durch sie bin ich dazu gekommen, in meinem zukünftigen Beruf gegen die organisierte Kriminalität zu kämpfen. Zuerst auf Sizilien. Diese Insel ist eine der schönsten Gegenden auf der Welt, aber auch eine der rückständigsten. Nach den Morden an Falcone und Borsellino war ganz Sizilien plötzlich wach, es gab Veranstaltungen, Diskussionen, eine riesige Welle der Empörung ging durchs Land. So richtig lange gehalten hat sie aber nicht. In der Zeit bin ich dann auch nach Norditalien gezogen.

Sie betreuen jetzt als Anwältin viele Frauen, die sich von der Mafia abwenden. Spielt die Frau in diesem chauvinistischen System überhaupt eine Rolle?

O ja, mittlerweile eine größere, als Sie vielleicht glauben. Eine Frau kann in der Mafia zwar keine Patin werden. Sie hat im operativen Bereich nie wirklich eine Rolle gespielt, weder in der sizilianischen Cosa Nostra noch in der kalabrischen ’Ndrangheta oder der kampanischen Camorra. Aber mit der Zeit sind die Gesetze strenger geworden, es gibt immer mehr Verhaftungen, und da übernimmt die Frau eine zunehmend wichtige Rolle.

Welche?

Wie früher schon schneidet und verpackt sie beispielsweise das Kokain und Heroin in ihrer Küche. Es gibt aber auch einige, die mittlerweile Schutzgeld erpressen oder sich direkt am millionenschweren Drogenhandel beteiligen, etwa durch Botengänge. Die wichtigste Aufgabe einer Mafiafrau ist und bleibt aber die Erziehung der Kinder, vor allem: der Söhne. Also der zukünftigen Mafiosi.

Wie genau werden denn Jungs zu Mafiosi erzogen?

So, dass sie irgendwann imstande sind, Paten zu werden, also Chefs einer Einheit. Sie werden nach den Werten der Mafia erzogen, den Werten der Rache. Wichtig ist es, Boss zu werden. Wichtig ist es, Macht zu haben. Alles andere ist Nebensache. Die Mutter weiß, wie gefährlich ihre Söhne leben, wenn sie nicht ganz oben an der Spitze sind. Deshalb erzieht sie sie zu rücksichtsloser Stärke.

Wie?

Um Boss zu werden, muss ein Mann immer stärker sein als der andere, und das heißt in der Logik der Mafia: gewaltbereiter. Man muss das können: sich Respekt verschaffen, Kraft und Gewaltbereitschaft demonstrieren. Am Ende wird ganz banal gerechnet: Wie viele Menschen hat ein Mann umgebracht? Die Anwärter fangen klein an. Ihnen wird gesagt: Geh, zünde dieses oder jenes Auto an, dieses oder jenes Haus. Dann dürfen sie nicht fragen, um wessen Auto oder Haus es sich handelt, sondern müssen es einfach tun. Die Mafiosi verstehen sich ja auch als Soldaten im Krieg. Je weniger der Mann zögert, je kühler er jede Aufgabe ausführt, desto schneller macht er Karriere.

Wie ist es mit den Töchtern?

Die Töchter haben erst eine Bedeutung, wenn sie zur Ehefrau eines Mafioso werden. Dann werden sie Mütter und erziehen ihrerseits die Kinder.

Und was genau passiert, wenn der Ehemann ins Gefängnis kommt?

Das ist ein bisschen wie früher, im Krieg. Die Frau regelt dann alles, sie besucht den Mann, koordiniert den Alltag und kümmert sich um die Geschäfte.

Die Geschäfte?

Ja. Das Wichtigste sind die Knastgänge – das Scharnier zwischen dem Drinnen und dem Draußen. Mittlerweile gibt es für die Besuche strikte Auflagen, die Ehefrau aber darf natürlich immer kommen – und übernimmt dann gern auch Botengänge, vermittelt zwischen dem Inhaftierten und den anderen Mafiosi seiner Einheit, transportiert Zettel mit Botschaften. Und sie bringt die Kinder ins Gefängnis, vor allem die Söhne. Dabei bleibt sie aber immer nur Platzhalter für den Mann, solange dieser einsitzt.

Gibt es für eine Frau in der Mafia denn nur diese eine Möglichkeit: mitmachen? Wenn sie nicht mehr mitmacht, ist das wie ein Todesurteil?

Ja! Es gibt nichts dazwischen, die Strukturen in einer Mafiafamilie sind sehr starr und sehr vom Machismo geprägt.

Wie bei Lea Garofalo?

Ja, wie bei Lea Garofalo. Eine Frau, die aussteigt, begeht ein doppeltes Sakrileg. Zum einen, weil niemand der Mafia den Rücken zukehrt oder, schlimmer noch, mit der Justiz kooperiert. Zum anderen, weil eine Frau das erst recht nicht tut.

Kann es sein, dass eine Frau – gerade am Anfang einer Beziehung oder Ehe – gar nicht weiß, womit ihr Mann sein Geld verdient?

Am Anfang ahnt sie vielleicht nichts, obwohl ich auch das bezweifle. Aber wenn, dann kommt sie jedenfalls schnell dahinter. Als Lea Garofalo ihren Freund kennenlernte, hat sie sehr schnell mitbekommen, was er „arbeitet“. Er war zwar nur ein kleiner Handlanger, aber er wollte immer mehr. Als sie nach Mailand zogen, stellte sie fest: Diese Stadt ist ja wie mein Dorf. Ein Kalabrien im Kleinen also, das sie doch eigentlich hatte verlassen wollen. Nicht nur weg von ihrem Freund, sondern auch von ihrer mafiosen Familie. Ihr Vater war von einem verfeindeten Clan getötet worden, als sie ein paar Monate alt war. Sie erzählte mir einmal, dass ihre Brüder von Anfang an nur dazu erzogen wurden, irgendwann ihren Vater zu rächen.

Welchen Wert hat denn die Familie Ihrer Meinung nach in der mafiosen Struktur?

Der Zusammenhalt der Familie ist das höchste Gut, das die Mafia hat. Gegen die Blutsverwandtschaft auszusagen ist für viele eine zu hohe Hürde. Aber: Es geht immer und ausschließlich ums Geschäft, nicht um die Familie. Für die hohen Umsätze, mit denen vor allem die ’Ndrangheta operiert, braucht es juristisches und wirtschaftliches Geschick, vor allem weil das Geld illegal reinkommt, etwa durch den Drogenhandel, und erst noch gewaschen werden muss. Deshalb denkt die mafiose Familie immer anders als eine schlicht blutsverwandte.

Nämlich wie?

Es wird stillschweigend ein Pakt geschlossen, der nicht gebrochen werden darf. Und der ist um alles in der Welt wichtiger und mehr wert als jede Verwandtschaft, sei sie noch so eng. Wenn innerhalb der Familie der Pakt gebrochen wird, ist die Sache klar: „Bring sie um!“ Das hat auch Leas Exfreund zu ihrem Bruder gesagt: „Du musst sie umbringen, sie hat mich verlassen.“ So einfach ist das. Dann hat er es aber doch selbst erledigt.

All das klingt, aus Sicht der Frauen, nach allem, nur nicht nach einer halbwegs emanzipierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.

Die Mafiafrauen haben sich schon etwas emanzipiert, aber nicht viel im Gegensatz zum Rest. Viele akzeptieren aber heutzutage beispielsweise nicht mehr, wenn ihr Mann eine oder mehrere Geliebte hat. Sie selbst müssen, das ist Mafiagesetz, natürlich treu bleiben. Wenn der Mann im Knast sitzt, ist es ihnen sogar untersagt, sich zu schminken, schön zu machen, das könnte ja andere Männer anziehen. Deshalb sieht man manchmal diese Bilder von Mafiafrauen, die im Jogginganzug und ungekämmt das Haus verlassen. Sofern sie nicht wieder Schwarz tragen – in Trauer um den Vater, Mann, Neffen, Sohn, Bruder, wen auch immer.

Der Mann aber hat weiterhin Geliebte?

Ja, das ist im wahrsten Sinne Ausdruck seiner Potenz. Meist nur Ausländerinnen – Russinnen, Polinnen und Rumäninnen sind in den Augen der Mafiafrauen eh nicht gleichwertig. Aber mittlerweile beschweren sie sich dennoch am laufenden Band und hoffen so, ihre Männer vom Fremdgehen abzubringen. Verlassen werden wirklich die wenigsten Mafiosi von ihren Frauen. Das Bedürfnis nach Sicherheit, auch schlicht finanzieller Sicherheit, ist für die Frauen ausschlaggebender als ein selbstbestimmtes Leben. Die Ehe ist auf eine Art sowieso eine Zweckehe, von Liebe und Zärtlichkeit ist oft keine Spur mehr.

Woher wissen Sie das alles so genau? Und ist das wirklich mafiaspezifisch, wenn in einer Ehe die Gefühle irgendwann nachlassen?

Ich weiß nur das, was mir die Frauen erzählen, und ich hatte schon unzählige Gespräche dieser Art. Das Besondere an einer Mafiaehe ist nicht, dass irgendwann die Liebe nachlässt. Sondern dass, auch wenn es sie anfangs gab, die Liebe nie ausschlaggebend war für den Mafioso. Die Frau soll ihm Kinder gebären, sie nach bestimmten Regeln erziehen und ihm eine stillschweigende Komplizin sein. Auch Sex ist für die Frau oft kein Akt der Lust.

Sondern?

Er dient dazu, den Mann zu befriedigen. Der körperliche Akt ist vor allem Ausübung von Macht, und für die Frauen ist er nie einfach nur schön, sondern oft von Gewalt geprägt. Der Mann bestimmt. Er will nicht unten liegen, das würde bedeuten, er lässt sich auch sonst unterkriegen. Er lässt sich zwar gern oral befriedigen, würde es aber nie selbst tun, das gilt als schmutzig und schwul, sogar als hündisch. Sex mit seiner Ehefrau will er nur, bis Kinder da sind. Danach sucht er sich meistens Geliebte.

Meinen Sie wirklich, Sie können bei einem so intimen Thema so verallgemeinern?

Ich kann Ihnen nur das erzählen, was ich von den Frauen der Mafiosi gehört habe, und das waren einige. Oft waren die Ehen arrangiert, Liebe entstand manchmal gar nicht erst. Die meisten Frauen, mit denen ich gesprochen habe, haben Sex nie als etwas Schönes, Erregendes erfahren, sondern als etwas Gewalttätiges, ein Mittel zum Zweck. Im Mafioso ist keine Sanftheit. Die einzigen liebevollen Momente, die er zulässt, hat er am ehesten mit seinen Kindern.

Wenn Sie an Ihre Mentoren, die Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino denken, die umgebracht wurden, haben Sie dann Angst?

Ja, doch, die habe ich. Aber ich darf nicht daran denken, dass mir etwas zustoßen könnte. Das würde mich in meiner Arbeit behindern. Und die ist alles, was ich habe. Auch wenn ich so gern mal wieder unbeschwert ein Buch zur Hand nehmen würde, lesen oder einfach in den Himmel gucken würde. Während des Prozesses habe ich bei unterschiedlichen Freunden geschlafen, das war schon ein wahnsinniger Stress. Aber die Mafia ist immer nur so stark, wie wir Angst haben. Deshalb will ich keine Angst haben.

Es gibt kaum ein anderes Land, in dem so viele Menschen unter Personenschutz stehen wie in Italien. Glauben Sie, dass die Beamten Schutz vor der Mafia bieten können?

Ich glaube das nicht, nein. Wer umgebracht werden soll, wird umgebracht. Aber der Personenschutz ist schon eine Hürde, die überwunden werden muss. Und den Beschützten ist er eine psychische Hilfe. Sich beschützt zu fühlen bedeutet nicht zwangsläufig, beschützt zu sein. Aber es lässt einen ruhiger schlafen.

Warum wollen Sie dann keinen Personenschutz?

Ich will nicht. Ich muss frei atmen können. Trotz allem.

Emilia Smechowski, 28, ist taz-Volontärin, hat in Berlin und Rom studiert und liebt Sizilien. Ihre Abschlussarbeit in Romanistik an der Humboldt-Uni schrieb sie über die Mafia – vom Familienunternehmen zur internationalen Holding