DER DOSB MUSS OFFEN ÜBER NEOFASCHISMUS IM SPORT REDEN
: Selbstkritik wäre angesagt

über den Fall Drygalla

ANDREAS RÜTTENAUER

Raus mit der Sprache! Geht es um Nazis? Warum hat sich die Ruderin Nadja Drygalla aus dem Staub gemacht, nachdem der Deutsche Olympische Sportbund und der Ruderverband sie ins Gebet genommen haben? Was wissen die deutschen Verbände über die Beziehung einer ihrer Sportlerinnen zum militanten Neonazi Michael Fischer? Worüber wurde im Vorfeld wirklich mit der Ruderin gesprochen?

Wir sind ganz Ohr. Hallo? Nein, da kommt nichts außer peinlichen Umwegformulierungen. „Diese Geschichte“, „die Angelegenheit“ oder einfach nur „etwas“. Der deutsche Sport ist an seiner Spitze vollkommen verklemmt, wenn es um die Benennung eines gesellschaftlichen Problems geht, das nun auch die Olympiamannschaft zumindest berührt hat, den Neofaschismus in Deutschland.

Der DOSB präsentiert sich gerne als Schule der Demokratie, die Vereine sollen die Klassenzimmer sein. Er hat eine Präambel in seiner Satzung, in der „ein humanistisch geprägtes Menschenbild“ beschworen wird. Für die Vereine gibt es Informationsbroschüren, Seminarangebote und Aktionsprogramme gegen den Versuch rechter Einflussnahme auf die Klubs.

All diese ehrenwerten Programme können nur denen helfen, die für sich festgestellt haben: Wir haben ein Problem! Und nur wer das benennt, ist glaubwürdig im Kampf gegen rechte Einflussnahme auf den Sport.

Doch da, wo Selbstkritik angezeigt wäre, beweihräuchert sich der DOSB selbst als humanistische Organisation. Auch eine noch so schön formulierte Präambel ist nur dann etwas wert, wenn sie mit Inhalt gefüllt wird. Zur menschenfreundlichen, antirassistischen und emanzipatorischen olympischen Charta hat sich auch das Gastgeberland der letzten Spiele bekannt.

Kein Humanist wird China deshalb für einen Hort des Guten halten. Warum sehen wir also keine Sorgenfalten auf der Stirn der deutschen Oberolympier Michael Vesper und Thomas Bach, nachdem ihnen gesagt wurde, mit wem sich Nadja Drygalla abgibt und wie es sein kann, dass ein ehemaliger Nationalruderer zum Nationalsozialisten wird?

Im Ruderverband Mecklenburg-Vorpommern hat man schon lange von der „Angelegenheit“ gewusst. Man hat das schön für sich behalten schließlich geht es um Medaillen und Fördergelder aus dem Innenministerium. Eine unangenehme Frage steht im Raum: Wie viel Nazi darf eigentlich sein im deutschen Sport?