LONDON EYE
: Olympia ist überall
Die Wahrheit ist, dass viele Londoner immer noch im Olympiarausch stecken. Michael, Rentner, 70, zieht sich pro Tag sechs Stunden Olympia rein, um hinterher mit Fußball weiterzumachen. „It’s all entertainment!“, lacht er zufrieden. Ben, Geschäftsführer, 31, steigt in kurzer Hose und Alternativlook von seinem Rennrad. Er schaut ununterbrochen Olympia auf seinem iPad, während er zur gleichen Zeit auf seinem Laptop zu arbeiten versucht. „Meine Arbeitseffizienz ist deshalb um mindestens 20 Prozent gesunken. Nicht so schlimm, London hat gerade viele Besucher, und wir treffen viele neue Geschäftspartner, vor allem Amerikaner. Bevor ich die treffe, schaue ich immer noch schnell die letzten Medaillenupdates der USA.“
Kashka ist Olympia-Totalgegnerin. Ihre kanadische Freundin möchte sagen, dass Calgary gute Erfahrungen mit dem Olympianachlass hatte, aber sie kommt seit über zehn Minuten nicht mehr zu Wort. Kashka hat alles über Olympia gelesen und nächtelang durchdiskutiert. Die offiziellen Nachhaltigkeitsstudien zu London 2012 interessieren sie nicht. „Wieso soll ich diese Propaganda lesen?“, fragt sie. Sie merkt nicht, dass Olympia sie eigentlich genauso ergriffen hat wie diejenigen, die nur noch von Medaillen, der tollen Organisation und dem tollen Feeling in London reden können.
Da rennt ein Mittfünfziger in Richtung U-Bahn. John heißt er, Hausmeister ist er. „Mir ist das alles zu viel“, stöhnt er. Die ganze Stadt sei überdreht und keiner rede mehr über irgendwas anderes. „Ich habe Olympia bei der Arbeit, in der Zeitung, im Radio, im Fernsehen, in den Nachrichten, sogar die Anzeigetafeln am Bahnhof zeigen an, wie viele Medaillen das Team GB jetzt gerade wieder eingesteckt hat.“
Am besten macht er es wohl Ann-Marie nach. Sie war so beschäftigt, dass sie überhaupt nichts von den Spielen mitgekriegt hat. „Ich habe gerade geheiratet, habe einen neuen Job, ziehe in ein neues Haus und bin schwanger.“ Ob sie vergessen hat, dass sie auch noch den Londoner Marathon lief?
