FRAUEN, BIER UND DER VFL WOLFSBURG

VON JOHANNES SCHNEIDER Warum sich Fußballfans nach der Quote sehnen – und die Kolleginnen auch beim Feiern dabeibleiben sollten

Um das gleich zu sagen: Natürlich hat das nichts mit Geschlecht zu tun. Ob man Bier trinkt. Und sich für Fußball interessiert. Nicht dass wir uns hier gleich zu Anfang dieses Textes missverstehen, in dem es darum gehen soll, wie mir homosoziales Biertrinken und Über-Fußball-Reden im Journalistenleben weitergeholfen hat. Nicht dass es dann heißt: Jaja, vordergründig hat er der Gleichberechtigung das Wort geredet, aber hintenrum steinzeitliche Rollenbilder verfestigt. Natürlich können auch Frauen das: in sich weitenden Schleifen über die sportliche Krise des VfL Wolfsburg reden und sich dabei Alkohol auf die Nase gießen.

Vielleicht sollte ich es daher lieber als Frage formulieren: Wo wart ihr? Wo wart ihr, als wir uns während des Studiums spätnachts die Köpfe heißredeten – im Zweifel immer über Fußball? Wo wart ihr, als wir bei Journalistenseminaren auf Burgen und in Jugendherbergen Bande fürs Leben knüpften – je bierseliger, desto besser und haltbarer? Und wo seid ihr heute, wenn es auf den Feiern jenes Betriebs, in den wir, die Freunde von früher, uns nicht selten gegenseitig mit Empfehlungen hineingeholfen haben, zu vorgerückter Stunde zu Verbrüderungen zwischen Chefs und Nachwuchskräften kommt?

Wollt ihr immer früh ins Bett, weil ihr denkt, dass ihr am nächsten Tag etwas „leisten“ müsst? Langweilt euch das scheinbar ziel- und zwecklose Gerede? Geht ihr immer dann, wenn ihr das Gefühl habt, hier kommt heute keine echte Stimmung mehr auf?

Dann lasst euch drei Dinge gesagt sein: 1. Die Arbeit der Nacht ist auch Arbeit. 2. Wer kein dummes Gelaber erträgt, stabilisiert ein System, in dem Männer sich gerade über die Stufen der Hierarchie hinweg so nahekommen, wie es Frauen untereinander selten schaffen. 3. Solange „ihr“ vor Mitternacht verschwindet, stärkt ihr die, die erst dann aufdrehen, wenn „wir“ mal so richtig „unter uns“ sind. Was aber macht ihr nun damit? Euch Quizwissen über Fußball aneignen und länger wach bleiben, als ihr eigentlich wollt? Zu Hause die Alkoholstandfestigkeit proben?

Das bringt nichts! Wo die Fähigkeit gefragt ist, sich in vertraut-vertraulicher Atmosphäre einfach gehen zu lassen, werden euch Strebsamkeit und Pflichtbewusstsein nicht weiterhelfen. Aber wie wäre es damit: Die unter euch, die diese „Ich bin eine selbstbewusste junge Frau und kann es ohne Quote schaffen!“-Attitüde haben, erkennen endlich an, dass da Kräfte walten, über die sich selbst die talentierteste Nachwuchshoffnung nur schwer hinwegsetzen kann.

Womit wir beim Thema wären: Eine Quote wäre in diesem Zusammenhang eine charmante Lösung. Einen Vorteil hätten nämlich auch jene unter uns, die tatsächlich einfach gerne nachts beim Bier mit Kolleginnen über Fußball, Beruf und andere Kolleginnen reden – und dabei immer wieder von Karrieristen allerlei Geschlechts gestört werden. Wie deren übertriebene Alertheit und Hinwendung zum Alphatier in der jeweiligen Gruppe die ganze Atmosphäre kaputt machen kann, das wäre ja allein schon Grund, als männlicher Fußballfan für die Quote zu sein. Alle weiteren Gründe können wir gern irgendwann mal beim Bier erörtern. Ich warne nur jetzt schon: Meine Ausdauer dort hat unter dem Bekenntnis hier nicht gelitten.

Johannes Schneider, 27, durchlief während des Studiums die journalistische Nachwuchsförderung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, volontierte bis vor Kurzem beim Berliner Tagesspiegel und trinkt Alkohol nur an schönen Abenden in geselliger Runde. Also selten.