Im Land der Ananas

OBST Wenn wir Ananas essen, kommt die meist aus Costa Rica. Manchmal kostet sie nur 99 Cent. Auf der anderen Seite der Welt haben die Menschen deshalb kein frisches Trinkwasser. Über die versteckten Kosten einer exotischen Frucht

■ Der Unterschied: das Biosiegel. Diese Ananas kommen zwar meist aus Costa Rica oder Ghana. Die Produktion muss aber den europäischen Vorschriften für die Biolandwirtschaft entsprechen, etwa muss auf chemisch-synthetische Pestizide verzichtet werden. Deshalb decken viele Farmer den Boden zwischen den Ananaspflanzen mit Plastikfolie ab. Dann kann die Ananas, aber nicht das Unkraut wachsen. Schädlinge bekämpfen sie mit Bakterien und Pilzen.

■ Der Vorteil: die Kontrolle. Private Ökokontrollstellen, zum Beispiel die deutsche BCS, überprüfen das Prozedere, indem sie sich etwa die Buchhaltung anschauen. Ein Indiz für Betrug könnte sein, wenn eine Farm mehr Ananas verkauft, als ohne Pestizide normalerweise möglich ist. Der zuständigen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist nach eigenen Angaben in den vergangenen zwei Jahren kein einziges Mal gemeldet worden, dass eine Bioananaslieferung Pestizide enthalten habe.

■ Das Problem: der geringe Absatz. Er beträgt nur 0,7 Prozent des Gesamtabsatzes, der Preis ist oft doppelt so hoch wie der konventioneller Ananas. Manche Importeure haben deshalb ihre Bioprojekte eingestellt.

AUS EL CAIRO JOST MAURIN

Sie könnte auch tiefgefrorene Kirschen essen oder eingelagerte Äpfel. Aber es wäre etwas anderes. Wenn Barbara Rias-Bucher von der Ananas spricht, erzählt sie vom Duft, der einen ganzen Raum erfüllt. Von der Blätterkrone – so exotisch. Und von ihrem Geschmack: dieser starken Süße, die so angenehm von Fruchtsäuren in Schach gehalten wird. Es ist, als würde Rias-Bucher von einem besonders edlen Wein schwärmen.

Barbara Rias-Bucher ist 64 Jahre alt und lebt auf einem ehemaligen Bauernhof in Bayern. Sie baut in ihrem Garten viel an: Kirschen eben, oder Äpfel. Wenn es aber dunkel ist in Deutschland, wenn sie tagelang keine Sonne sieht und von den eigenen Bäumen schon lange keine Früchte mehr ernten konnte, dann isst sie regelmäßig das frische Obst aus den Tropen. „Exotenfrüchte geben mir das Gefühl, dass es nicht ganz so trist bei uns ist“, sagt sie.

Rias-Bucher hat ein Kochbuch geschrieben, das „Mit Ananas kochen“ heißt. Sie hat überhaupt mehr als hundert Kochbücher geschrieben: vegetarisches Kochen, natürliches Kochen, Kochen mit wenig Fett, mit Kräutern – und dieses eine für die Ananas. „Das ist für mich eine königliche Frucht“, sagt sie.

Im vergangenen Jahr haben die Deutschen etwa 94.000 Tonnen frische Ananas gekauft. Nicht so viel wie Bananen und Äpfel, aber insgesamt immerhin 73 Millionen Stück. So berichtet das der Importeur Dole. Das Unternehmen mit der Sonne im O. Einer der großen Fruchtkonzerne, die uns auch andere Südfrüchte wie Bananen oder Kiwi bringen. Dazu kämen noch schätzungsweise 58.000 Tonnen Ananas in Dosen – und ein bisschen Saft.

Die Ananas ist ein Massenprodukt. Sie liegt in Körben in der Obstabteilung, zwischen Melonen und Limetten. 1,50 bis 3 Euro kostet sie, je nach Größe und Laden. Bei Sonderangeboten auch mal 99 Cent.

Das ist ein Preis, der Fragen aufwerfen muss: 99 Cent für eine Frucht, die oft 18 Monate lang wächst, die von Arbeitern einzeln gepflückt wird und dann 10.000 Kilometer in Kühlcontainern verschifft wird. 99 Cent?

Man muss nicht gleich ahnen, dass diese 99 Cent noch ganz andere Kosten verursachen, die irgendwie auch irgendwo bezahlt werden, von irgendjemanden. Aber müsste man nicht irgendetwas ahnen wollen?

Haydee Quiros ist 48 Jahre alt und wohnt in der Gemeinde El Cairo im mittelamerikanischen Costa Rica. Ihr gehört ein kleiner Laden, in dem sie Lebensmittel, Handykarten und Haushaltswaren verkauft.

Ihr Dorf in der Nähe der Karibikküste ist von Plantagen umgeben. In den 50er-Jahren begann der US-Reifenhersteller Goodyear hier, Kautschuk anzubauen. Dann kamen die Bananenfirmen. Jetzt wächst in und um El Cairo fast nur Ananas.

Deswegen muss Haydee Quiros alle zwei Tage einen Plastikeimer nehmen und damit auf der Straße vor ihrem Haus zu einem Tankwagen des staatlichen Wasserwerks AYA laufen. Einer der beiden Fahrer dreht einen Hahn auf. Zehn Liter Wasser prasseln dann in Quiros’ Eimer – pestizidfrei, aber eben nur aus dem Tankwagen.

Seit Jahren, erzählt Haydee Quiros, fließe aus den Wasserhähnen in ihrem Haus nur noch „Giftwasser“. Pestizide einer Ananasfarm würden das Wasser verseuchen, sagt sie.

El Cairo ist eine von vier Gemeinden in Costa Rica, die AYA wegen der Pestizidbelastung seit 2007 warnt, Leitungswasser zu trinken. Seitdem versorgen Tankwagen die etwa 6.000 Einwohner. Die Region im Osten des Landes ist nicht die einzige, in der Ananas auf Farmen wachsen – auf Fincas, die für internationale Konzerne wie Fresh Del Monte Produce produzieren. Sie liefern die Ananas auch in deutsche Supermärkte.

Rund 70 Prozent der Importe kommen dem Statistischen Bundesamt zufolge aus Costa Rica. Das kleine Land zwischen Nicaragua und Panama ist der größte Exporteur frischer Ananas weltweit.

Mit den Früchten für den Export wurden und werden Millionen Dollar verdient. Doch bis heute stehen in El Cairo fast nur ärmliche, flache Häuschen, in denen vor allem schlecht bezahlte Plantagenarbeiter leben. Die Karibikküste Costa Ricas ist die ärmste Region des Landes. Die Gewinne aus den Plantagen fließen fast ausschließlich an die Besitzer von außerhalb. Die Bevölkerung der Plantagendörfer dagegen leistet die Knochenarbeit. Viele Tagelöhner der Bananenplantagen wurden unfruchtbar, weil sie in den 70er-Jahren mit dem Pestizid Nemagon in Kontakt kamen.

Die Banane war eine der ersten Südfrüchte, die Deutschland in größeren Mengen einführte. Zum Grundnahrungsmittel wurde sie in der Bundesrepublik ab Ende der 50er-Jahre. Schon damals war Costa Rica ein wichtiger Lieferant.

Die Zeit, in der in deutschen Haushalten ein Snack immer beliebter wurde: Toast Hawai. Ein überbackener Toast mit Schinken, Käse – und Ananas. Die exotische Frucht gab es erstmal nur in Dosen.

„Als Kind bekam ich die Scheiben immer sonntags mit Schlagsahne“, erinnert sich Barbara Rias-Bucher, die Autorin des Ananas-Buchs. Doch bei den gekochten Dosenananas gehe der Geschmack und das Enzym Bromelain verloren, das die Verdauung fördert. Sie hätten lange nicht so gut geschmeckt.

Das erkannten auch Supermarktketten, die um 1990 herum frische Ananas ins Sortiment aufnahmen. Plötzlich gab es die Frucht mit der Krone in fast jedem Winkel Deutschlands. Der Verbrauch stieg. Denn die Ananas ist sehr günstig. Es sei denn, sie kommt, was selten ist, mit dem Flugzeug. Dann kann sie – schnell transportiert – schon mal 9,99 Euro kosten. In Costa Rica baut der Produzent Del Monte vor allem eine Sorte an: die süße und saftige MD-2.

Gleich gegenüber dem Ortseingang von El Cairo wachsen die Früchte auf einem Feld, das sich kilometerweit bis zum Horizont erstreckt. Auf der hellbraunen Erde sind nichts als die grau-grünen spitzen Blätter der Pflanzen zu sehen. Kein Baum, Strauch oder Gras. Es ist schwül und heiß, tropisches Klima.

Während der Ernte stehen die Arbeiter unter der prallen Sonne und pflücken jede Ananas einzeln. Sie müssen sich bücken, um zu sehen, ob die Frucht schon reif ist und groß genug. Maschinen können das nicht.

Ananas werden oft in Monokulturen angebaut, weil sich die Fincas so auf eine Frucht spezialisieren können. Würden sie verschiedene Pflanzen anbauen, würden sie weniger Geld verdienen – das ist die Rechnung dahinter.

Aber in den Monokulturen wachsen über Jahre auch Populationen von Schädlingen und Unkräutern, die auf die Ananas eingestellt sind. „Deshalb halten die Farmer mit großen Mengen teils besonders giftiger Pestizide dagegen“, sagt ein Ingenieur von Costa Ricas Nationaluniversität.

Ein Teil davon gelangt ins Grundwasser. Der Chemiker Clemens Ruepert, der aus den Niederlanden stammt und ebenfalls an der Nationaluniversität forscht, fand dort schon 2003 den Pestizidwirkstoff Bromacil, der besonders leicht versickert. Bis zu seiner vorläufig letzten Untersuchung im Mai 2011 maß er im Quellwasser der Gemeinde Milano regelmäßig 2,5 bis 6,7 Mikrogramm pro Liter – 25 bis 67 Mal so viel wie der europäische Grenzwert. El Cairo kam zuletzt auf 2,0 Mikrogramm. Untersuchungen im Auftrag des Wasserwerks AYA haben die Überschreitungen des Grenzwerts bestätigt. Costa Rica selbst hat keine Limits festgelegt.

Eine vergiftete Umwelt – keine seltene Folge in der Agrarindustrie. Aber selten ist sie so gut dokumentiert wie im Fall der Ananas.

„Das heißt nicht, dass man automatisch krank wird, wenn man dieses Wasser trinkt“, sagt Ruepert. Denn die europäischen Grenzwerte beinhalten einen großen Sicherheitsabstand. Die US-Umweltbehörde EPA jedoch hat Bromacil als „möglicherweise krebserregend für den Menschen“ eingestuft. Denn bei entsprechenden Tierversuchen an Mäusen und Ratten hatte sich die Häufigkeit von Tumoren erhöht. In Deutschland ist Bromacil seit 1993 verboten. In Costa Rica nicht. Den Verantwortlichen im Wasserwerk AYA erschien die Sache aber so riskant, dass sie bisher nach eigenen Angaben 770.000 Euro investiert haben, um betroffene Gemeinden per Tankwagen zu versorgen.

Wie geht man damit um, wenn man von diesen versteckten Kosten der Ananas erfährt? Mit Verzicht? Schlechtem Gewissen? „Dann müssten wir auch ein schlechtes Gewissen haben, wenn wir uns die ganzen Maisfelder bei uns anschauen“, sagt die Autorin Barbara Rias-Bucher. Mais wird in Deutschland häufig in Monokulturen angebaut, die ebenfalls die Umwelt erheblich belasten.

Müsste man dann nicht aufhören, Bananen und Melonen zu essen? Die wachsen auch in Monokulturen

Und müsste man dann nicht auch aufhören, Bananen und Melonen zu essen? Die wachsen meist ja auch in Monokulturen, die nur mit großen Mengen Pestiziden funktionieren.

Es ist eine grundsätzliche Frage, die noch mehr grundsätzliche Fragen aufwirft.

Del Monte – offizieller Sitz im Steuerparadies Kaimaninseln – nennt sich selbst „größter Ananas-Vermarkter weltweit“. Deswegen hat die 44.000-Mitarbeiter-Firma auch einen großzügigen Stand bei der wichtigsten Fruchthandelsmesse, der Fruit Logistica in Berlin. In einem Regal liegt Obst, das der Konzern verkauft: Neben Ananas Melonen, Bananen und Weintrauben – alle makellos und mit dem aufgeklebten grün-gelb-roten Del-Monte-Logo. Hallenhohe Fotos zeigen saubere Bananenfelder und den Slogan „Say yes to the best“. In den Broschüren auf dem Rezeptionstresen präsentiert sich der Konzern als „nachhaltig“ arbeitendes Unternehmen, das nach internationalen Umweltstandards zertifiziert sei.

Del Monte kauft seit Anfang der 90er-Jahre Ananas von der größten Plantage in El Cairo, „Hacienda Ojo de Agua“. Ironischerweise heißt der Name übersetzt „Landgut Wasserquell“. Der Konzern weist in einer E-Mail an die sonntaz „falsche sensationalistische Behauptungen“ zurück, er sei für Umweltprobleme der Ananasproduktion in Costa Rica verantwortlich. Die Farm habe „2008 aufgehört, Bromacil zu benutzen“.

Indirekt räumt Del Monte also ein, dass sein Zulieferer davor das Ackergift benutzt hat.

Auch wenn die Del Monte-Finca seit 2008 auf Bromacil verzichten sollte, könnte sie daran schuld sein, dass auch lange Zeit später im Grundwasser Pestizide gefunden worden sind. „Bromacil ist sehr stabil“, sagt Chemiker Ruepert. Aus diesem Grund sei es möglich, dass die Substanz Jahre später im Wasser lande. Welchen Pestizidwirkstoff Del Monte heute verwendet, sagt der Konzern nicht. Andere Ananasfarmen benutzen der Nationaluniversität zufolge sowieso weiter Bromacil.

Alexis Calvo vertritt die Menschen, die darunter leiden. Der Kleinspediteur wohnt in dem Dorf La Francia, dessen Wasserrohre an dieselbe offenbar verseuchte Quelle wie El Cairo angeschlossen sind.

Und er ist ehrenamtlicher Vorsitzender des Nutzerkomitees namens Asada, das die Wasserleitungen der beiden Orte verwaltet. Jetzt werden die Gemeinden an ein neues Netz mit einer neuen Quelle angeschlossen. „Sie liefert trinkbares Wasser“, sagt Calvo im Asada-Sitz, der aus nur einem kleinen Raum besteht. Ein vergittertes Fenster zur Straße hin dient als Schalter, an dem die Einwohner ihre Wassergebühren bezahlen.

In einer Ecke verbirgt sich hinter einem Holzverschlag eine Toilette. Zur Hälfte ist der Raum gefüllt mit großen Plastikrohren. „Das Material für das neue Wassernetz“, sagt Calvo.

Insgesamt zehn Gemeinden sollen ab Anfang 2014 damit versorgt werden. Auch die Verbraucher werden das am Ende zahlen müssen: Die Wassergebühren eines Durchschnittshaushalts sollen sich verdoppeln – auf rund 20 Euro pro Monat. In einer Region, in der viele Arbeiter auf den Plantagen nur den Mindestlohn von etwa 300 Euro bekommen.

Calvo wirft den Behörden vor, viel zu langsam zu reagieren: Die Tankwagen kamen erst vier Jahre nach den ersten Pestizidfunden im Leitungswasser, die neue Quelle soll nach elf Jahren kommen. Besonders sauer macht ihn, dass das staatliche Wasserwerk die Verwaltung der neuen Leitungen übernimmt. Damit werden die Nutzerkomitees entmachtet, deren Proteste überhaupt erst auf die Pestizidverseuchung aufmerksam gemacht haben.

Können wir nicht einfach auf dieses Obst verzichten? Auf Südfrüchte überhaupt?

„Es würde mich schmerzen, wegen des Geschmacks“, sagt Barbara Rias-Bucher. „Aber ich könnte sie ersetzen. Ich habe in meinem Garten einen wunderbaren Apfelbaum. Und Kirschbäume.“ Die Kirschen friert sie ein. Sie könnte sie im Winter essen, und im Frühjahr.

„Und wenn es Bioananas gibt, dann kaufe ich sie auch lieber“, sagt Rias-Bucher.

Die Erzeuger von Ökoananas dürfen per Gesetz keine chemisch-synthetischen Pestizide und Dünger benutzen. Deshalb ernten sie auch weniger, während die konventionelle Konkurrenz die Erträge steigert.

Eine Bioananas aus Costa Rica kostet in Deutschland oft doppelt so viel wie konventionelle Früchte. Ökologisch angebaut waren nur 0,7 Prozent der frischen Ananas, die von privaten Haushalten im Jahr 2012 gekauft wurden.

Wir scheinen uns offenbar nur begrenzt verantwortlich zu fühlen. Tun es die Behörden in Costa Rica?

Durch die Fenster des geräumigen Büros der Agrarministerin weht angenehm warme Luft. Hauptstadt San José, 1.200 Meter Höhe. Gloria Abraham trägt einen Ring mit einem Edelstein.

Auf dem wuchtigen Holztisch vor ihr steht eine große Tasse der US-Kaffeekette Starbucks, auch die macht in Costa Rica Geschäfte. Abraham hat gleich sechs Mitarbeiter zum Interview mitgebracht – das Thema Ananas ist für sie sehr wichtig, die Branche bietet 27.000 Menschen Arbeit, und einige Ananasunternehmer gehören zu den wirtschaftlich und politisch einflussreichen Familien.

Selten sind die Folgen der Agrarindustrie so gut dokumentiert wie im Fall der Ananas

„Das Thema Wasserverschmutzung in dieser Region wurde sehr politisiert“, sagt Abraham – um der Ananasbranche insgesamt zu schaden. Dabei handele es sich nur um einen Einzelfall, „einen Unfall“. Die letzten Untersuchungen hätten ergeben, dass das Wasser in El Cairo wieder sauber sei.

Haben die Behörden denn das Wasser an den anderen rund 1.300 Ananasfarmen im Land untersucht? „Natürlich“, sagt die Ministerin. Doch zumindest ein Teil dieser Analysen ist nicht genau genug.

Im Oktober etwa untersuchte das costa-ricanische Labor Lambda im Auftrag des AYA Wasserproben aus El Cairo. Das Unternehmen räumt selbst ein, dass seine Messmethode Bromacil erst ab 0,7 Mikrogramm pro Kilogramm entdeckt. Der EU-Grenzwert liegt aber darunter. Mit der Lambda-Analyse kann die Regierung also nicht belegen, dass das Wasser sauber ist.

Und: Der costa-ricanische Verwaltungsgerichtshof für Umweltfragen hat bereits gegen dutzende Ananasfarmen Verfahren wegen Wasserverschmutzung eingeleitet. Es geht um Gefahren fürs Trinkwasser, aber auch für Fische in den Gewässern sowie andere Tiere und Pflanzen in der Umgebung. El Cairo kann also kein Einzelfall sein.

Immer wieder betont die Ministerin, Ananas aus Costa Rica enthielten fast nie mehr Pestizideun als in den USA oder der EU erlaubt. Über die Pestizide, die im Land – nicht in der Frucht – bleiben, redet sie nicht.

Dann sagt sie noch etwas Überraschendes: Die verantwortliche Ananasfarm solle in Zukunft für die neue Wasserversorgung für El Cairo bezahlen.

Die Wirklichkeit sieht nicht danach aus: Das AYA hat nach eigenen Angaben noch nicht einmal die Eigentümer der Fincas auf Schadensersatz verklagt. Zehn Jahre nach den ersten positiven Pestizidanalysen erklärt es immer noch, es müsse erst die Kosten dokumentieren.

Und Ministerin Abraham hat immer noch nicht das verantwortliche Pestizid Bromacil verboten. „Wir beschließen gerade eine strengere Regulierung von Bromacil“, sagt sie stattdessen und lehnt sich in ihrem schweren Ledersessel zurück.

Das neue Wassernetz, das jetzt El Cairo und weitere Gemeinden versorgen soll, kostet 2,3 Millionen Euro. Die bezahlt der costa-ricanische Staat laut der steuerfinanzierten deutschen Entwicklungsbank KfW mit Hilfe eines besonders günstigen Kredits der Bundesregierung in Höhe von 1,3 Millionen Euro.

Man könnte also sagen, dass Barbara Rias-Bucher für ihre Ananas doch mehr bezahlt als nur 99 Cent. Über die Steuern.

Jost Maurin, 38, ist taz-Agrar-Redakteur. Er isst lieber Bioananas