Eric, Spanien: Der Master nützt nichts

BERLIN taz | Die Hiobsbotschaft kommt anderthalb Jahre, nachdem Eric Vázquez Jaenada Spanien den Rücken gekehrt hat. Nachdem er seine Wörterbücher, warme Winterkleidung und Fotos von Familie und Freundin in den Koffer gepackt und in ein fremdes Land mit merkwürdiger Sprache und einem noch merkwürdigeren Umgang mit Fußgängerüberwegen gezogen ist.

Anderthalb Jahre, in denen er sich mit Vermietern und dem Jobcenter, Arbeitgebern und Krankenversicherungen, Deutschlehrern und der Behörde für die Anerkennung seines Studienabschlusses herumgeärgert hat. Und in denen eine Rückkehr nach Spanien, das Vázquez Jaenada als zunehmend korrupt und undemokratisch beschreibt, trotzdem nie eine ernsthafte Option war.

Eric Vázquez Jaenada sitzt in einem Café in Berlin. Es ist Freitagnachmittag, heute muss er nicht arbeiten. Und sein nächster Deutschkurs beginnt erst in ein paar Tagen. Niveau B2. „Kann sich so spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist“, so definiert es der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen. Langsam schraubt sich Vázquez Jaenada hoch. Zumindest das mit der Sprache, das funktioniert einigermaßen. Manche Wörter sagt er schon standardmäßig auf Deutsch, auch wenn er Spanisch spricht. Meldebescheinigung. Krankenkasse. „Als ich endlich in der Krankenkasse war, das hat mir viel Sicherheit gegeben“, sagt er.

Als Vázquez Jaenada entscheidet, nach Deutschland zu gehen, hat es nichts mit der großen Liebe zu tun oder der Verwirklichung eines Traums, wie Auswanderer sich das manchmal so vorstellen. Er hat in Spanien Geschichte und Pädagogik studiert und will dort an einer Sekundarschule unterrichten. Nach dem Abschluss schreibt er Bewerbungen für Lehrerstellen, eine, zwei, zwanzig, er bringt sie direkt bei den Schulen vorbei, das mache schließlich einen besseren Eindruck, fünfzig, sechzig, manche geben ihm seine Mappe gleich wieder in die Hand, hier hätten sie gerade nicht die Möglichkeit, jemanden einzustellen. Hundert. Er jobbt den Sommer über in einem Schwimmbad. Er sucht in anderen Branchen. Er hört von dem Comenius-Programm, das europaweit die Mobilität von Schülern und Lehrern fördern soll. Ein halbes Jahr im Ausland ist besser als gar keine Arbeit, oder?

Obwohl Vázquez Jaenada eigentlich Geschichte an einer Oberschule unterrichten wollte, wird es Spanisch an einer Grundschule in der Nähe von Berlin. Und dann, als das Programm endet, diverse erfolglose Versuche, beim Jobcenter Unterstützung zu bekommen, ein paar Bewerbungen und schließlich ein Job. Aushilfe im Krankenhaus. Aber ein Job. Er kann bleiben.

Heute lacht Vázquez Jaenada wenn er sich an seinen ersten Kulturschock erinnert. Die Frage, wie man ohne Zebrastreifen und in den kurzen Ampelschaltungen über die Straße kommt. Die Ausschilderung, die im öffentlichen Raum oft genug nur auf Deutsch ist, als wäre das hier nicht ein Land mitten in Europa mit einem Haufen Leute, die diese Sprache nicht verstehen. Von den Touristen ganz zu schweigen.

Wäre da nicht die Hiobsbotschaft. Vázquez Jaenada dreht den Henkel seiner Kaffeetasse von der einen Seite auf die andere und zurück. Er, der studierte Historiker, mit Pädagogik-Master wird hier nicht als Lehrer arbeiten können, nie. Zumindest nicht in diesem Leben. Trotzdem er neben seiner Muttersprache Spanisch auch Englisch und demnächst „ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung“ auch auf Deutsch hinbekommt, ideal für eine bilinguale Schule oder Spanischunterricht. Denn: Von Lehrern werden hier zwei Fächer verlangt, erzählt er.

Und Deutsch auf muttersprachlichem Niveau. Auch für Privatschulen. Beides hat er nicht. Und um jetzt noch mal vier, fünf Jahre zu studieren, dafür ist er eigentlich nicht nach Deutschland gekommen. Abgesehen von den finanziellen Nebenwirkungen, die ein Zweitstudium im Ausland hätte.

„Jetzt hat man zwar europaweit die Studiengänge vereinheitlicht, es gibt überall Bachelor und Master, aber was nützt das, wenn die Voraussetzungen für die Einstellung unterschiedlich sind?“, fragt Vázquez Jaenada. Er hat sich erst mal als Aushilfsdozent bei Europaschulen beworben, die dürfen ihn trotzdem nehmen. Eine Antwort hat er noch nicht.

Es ist nicht so, dass Vázquez Jaenada jetzt direkt wieder die Koffer packen und zurück nach Spanien reisen würde. „Am liebsten würde ich hierbleiben“, sagt er. Doch ganz zuversichtlich klingt es nicht mehr. SVENJA BERGT