Ein maues Sommertheater

GASTBEITRAG Die Pkw-Maut des Bundesverkehrs-ministers ist ausländer- und europafeindlich sowie verkehrs- und umwelt-politischer Unsinn. Es gibt Alternativen

■ ist verkehrspolitischer Sprecher des ökologischen Verkehrsclubs VCD, verantwortlich für die Auto-Umweltliste. Er arbeitete an der TU Berlin, Arbeitsstelle für verkehrspädagogische Forschung und Lehre.

VON GERD LOTTSIEPEN

Es ist ein intellektuell schwieriges Kunststück, das Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt mit der Maut zu bewältigen hat. Laut Koalitionsvertrag darf die Autobahnmaut – also solche war sie geplant – die Halter von in Deutschland zugelassenen Pkws nicht zusätzlich belasten. Sie soll hohe Einnahmen für die Infrastruktur bringen und mit dem EU-Recht kompatibel sein. Diesen Spagat zu schaffen, ist besonders anspruchsvoll, weil die CSU mit der Ausländermaut einen populistischen Wahlkampf geführt hatte, der auch die EU-Kommission erreicht hat.

Kurz vor der Sommerpause stellte Dobrindt sein Konzept vor: Vignette für alle Straßen, also eine allgemeine Straßenmaut, „Ökoklassen“ mit Differenzierungen nach Hubraum und Kraftstoff. Für in Deutschland zugelassene Pkws wird die Kfz-Steuer verändert, so dass sie für jeden Pkw um genau den Betrag sinkt, der für die Jahresvignette fällig wird. Haltern von Pkws, für die bisher keine Kfz-Steuer zu entrichten ist, bekommen die Vignette kostenlos. Für ausländische Pkws gibt es neben der Jahresvignette zeitlich begrenzte Vignetten: zehn Tage für 10 Euro, zwei Monate für 20 Euro.

Die Berechnung des Vignettenpreises ist hochkomplex und völlig absurd. Ökoklassen sollen die Mauthöhe bestimmen. Es reicht ein Vergleich, um das als Märchen zu entlarven: Die Vignette für den effizientesten Golf, der 3,2 Liter Diesel verbraucht, soll 104,50 Euro kosten. Für eine Luxuslimousine mit einem Drei-Liter-Benzin-Motor, die dreimal so viel Sprit schluckt, werden 60 Euro fällig.

Notwendig ist diese bayerische höhere Mathematik, weil die Maut ungefähr 100 Euro pro Jahresvignette bringen soll, aber für einige Millionen Pkws die Kfz-Steuer, die mit der Maut verrechnet werden soll, unter 100 Euro liegt. Wenn die Jahresvignette für einen in Deutschland zugelassenen Kleinwagen mit Benzinmotor nur 24 Euro kosten darf, dann gilt dieser Preis auch für den österreichischen Polo.

Es bedarf nur mittelmäßiger mathematischer Begabung, um auszurechnen, dass die 600 Millionen Euro, die netto hängen bleiben sollen, nie erreicht werden. Nicht verwunderlich also, dass es vom Bundesfinanzministerium über die CDU in Nordrhein-Westfahlen, dem bayerischen Innen- und Verkehrsminister, dem grünen Vorsitzenden des Verkehrsausschusses, den Brüsseler EU-Kommissaren bis zum Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags Kritik hagelte. Bleibt nur noch eine große Party zur Beerdigung der Pkw-Maut?

Aber nicht doch! Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer stellt die Koalitionsfrage. Schließlich wurden in den letzten Jahren aus Koalitionsräson auch schon die FDP-Hotelsteuer und das Betreuungsgeld realisiert. Also auch die Maut? Wirklich zu bedauern ist, dass mit dem Sommertheater um die Vignetten-Maut alle ernsthaften Diskussionen um die positiven Aspekte, die eine fahrleistungsabhängige Maut haben kann, überlagert werden.

Viele Verkehrswissenschaftler präferieren eine fahrleistungsabhängige Maut. Für jeden gefahrenen Kilometer muss gezahlt werden. Der Betrag kann dann je nach Fahrzeugart, CO2-Ausstoß oder Lärmwert differieren. Es ist, wenn politisch gewünscht, auch möglich, das Verkehrsaufkommen zu steuern – beispielsweise durch höhere Preise zur Rushhour. Das verspricht interessante Diskussionen. Unumgänglich wird die fahrleistungsabhängige Maut spätestens dann, wenn sich Elektroautos, für die keine Mineralölsteuer anfällt, massenhaft durchsetzen.

Alternative: Lkw-Maut

Die Erhebungstechnik, die nach heutigem Stand hohe Kosten und datenschutzrechtliche Probleme mit sich bringt, bedingt, dass es bis zur Einführung einer fahrleistungsabhängigen Pkw-Maut, schon gar einer europaweiten Maut, noch einige Jahre dauern wird.

Unstrittig ist, dass Geld fehlt, um die Verkehrsinfrastruktur auch nur zu erhalten. Fakt ist, dass vor allem Lkws die schleichende Zerstörung der Straßen verursachen. Ein vollbeladener 40-Tonner belastet die Autobahnbrücke um den Faktor 160.000 im Vergleich zu einem Pkw.

Die Lkw-Maut, deren Höhe sich nach Fahrleistung, Achsenzahl und Schadstoffklasse bemisst, hat sich seit 2005 als zielführende Straßenbenutzungsgebühr erwiesen. Sie spült heute deutlich über 4 Milliarden Euro in die Kasse. Allerdings hat Dobrindt angekündigt, wegen einer EU-Richtlinie die Mautsätze senken zu müssen, weil die Zinsen niedrig sind. Er scheut sich aber, die externen Kosten stärker zu bepreisen, die durch Schadstoffe und Unfälle entstehen. Geplant ist die Ausweitung der Lkw-Maut auf Lkws ab 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht – völlig vergessen haben die Mautstrategen aber die kleineren Lkws ab 3,5 Tonnen. Eine weitere Ertragsquelle wäre die Mineralölsteuer, die seit 2003 nicht erhöht worden ist. Ein Cent dieser Steuer pro Liter spült rund 600 Millionen Euro in die Bundeskasse. Eine einfache und gerechte Steuer: Wer mehr Kraftstoff verbraucht und CO2 emittiert, weil er viel oder ein Auto mit hohem Verbrauch fährt, zahlt mehr als Wenigfahrer und Halter von effizienten Pkws.

Die Pkw-Maut des Bundesverkehrsministers ist ausländerfeindlich und sie ist verkehrs- und umweltpolitischer Unsinn. Vielleicht setzen die Populisten darauf, dass die EU die Kompensation für die Maut zersägt. Der Buhmann ist dann gefunden, nun müssen auch deutsche Autofahrer zahlen. Aber bitte nicht für diese Vignette! Es gibt Alternativen zur Finanzierung einer umwelt- und sozialverträglichen Verkehrsinfrastruktur.