Blaue Internationalisten

HÖFE Der Adel hat das Europäische seit jeher im Blut: Ehen über Grenzen hinweg mehrten den Einfluss und prägten den Stil

Europäische Wanderungen waren, historisch betrachtet, nicht die Domäne der Bürgerlichen, sondern von Handwerkern, Tagelöhnern, Söldnern. Bis auf übernationale Dynastien, etwa die Fugger, Medici oder Rothschilds, war das Standhafte und Ortsfeste das Liebste der bürgerlichen Klasse und ihrer Beamtenschafte. So viel Arbeitswanderung wie in den Jahren nach der EU-Osterweiterung gab es niemals seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Dublin, Stockholm oder Manchester sind inzwischen Städte mit starken lettischen, rumänischen oder polnischen Communitys.

Ein gesellschaftliches Milieu aber hat das Internationale, besser: Europäische, konstitutiv sozusagen im Blut: der Adel. Man heiratete untereinander, über monarchisch-nationale Grenzen hinweg. Nicht aus Gründen der Liebe, sondern weil es die Machtbalance oft nötig machte. Sollte ein englischer König lieber eine spanische oder französische Braut ehelichen – was war für den Erhalt des eigenen Hofes strategisch günstiger? Der europäische Adel war ein Personengeflecht, das Abhängigkeit stiftete und Feindschaften erschwerte. Vokabeln wie „Zwangsheirat“ oder „Importbraut“ wären als unpassend empfunden worden: Über die Grenzen hinweg die nächste Generation zu planen diente schierer Existenzsicherung und der Machtbalance in Europa.

Moderne Monarchien peppen sich gelegentlich mit Bürgerlichen auf; das aktuell prominenteste Beispiel ist Königin Silvia, die aus Heidelberg stammt, den Berufen der Übersetzerin und Edelgästebetreuerin nachging, ehe die Krone von Schweden in Person von König Carl Gustaf rief. Der Gatte der früheren niederländischen Königin Beatrix war ein deutscher Diplomat, Claus von Amsberg; die Großmutter des jetzigen Oranje-Königs Willem, Juliane, war mit Prinz Bernhard zur Lippe-Biesterfeld verheiratet – es war außenpolitisch immer gut, aus dem reichlichen deutschen Adelsreservoir zu schöpfen.

Dänemarks Königin Margrethe hat einen Franzosen geheiratet, einer von ihren Söhnen eine Australierin; der übernächste Thronfolger von Königin Elizabeth II. im United Kingdom suchte dynastieerhaltend nicht im Ausland, sondern im Londoner Schickimilieu – auch dies ein Zeichen der Toleranz und Lebensnähe der dortigen Blauen.

Internationalität war im Adel notwendig – und zugleich ein Stil, ein Credo gegen die geistige Enge, häufig anzutreffen unter national gesinnten KleinbürgerInnen. JAN FEDDERSEN