Koch schenkt Grünen Wahlkampfthema

Airport-Ausbau und dann noch Nachtflüge: Hessens Ministerpräsident Koch rückt von seinem Versprechen ab, die Anwohner des Frankfurter Flughafens nachts zu schonen. Die Grünen gewinnen so ein Thema für den anlaufenden Landtagswahlkampf

AUS FRANKFURT/MAIN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Bisher lautete das Angebot von Hessens Ministerpräsident Roland Koch so: Falls aus der Erweiterung des Frankfurter Flughafens nichts werde, müsse auch nachts geflogen werden. Wenn der Flughafen dagegen ausgebaut werde, erklärte der CDU-Mann, würden Starts und Landungen in der Nacht verboten. Denn mit der neuen Landebahn im Kelsterbacher Wald werde auch der Lärmpegel in der dicht besiedelten Region ansteigen. Den gestressten Bürgern sollte wenigstens die Nachtruhe garantiert werden.

Nun ist Roland Koch von seiner Position abgerückt: „Es bleibt beim Nachtflugverbot im Ausbaufall“, sagte er in einem Interview mit dem Darmstädter Echo, „aber es wird durchaus auch nach dem Landebahnbau noch Nachtflüge geben.“ Die Äußerung ist brisant, denn Ende Januar wird in Hessen gewählt. Im bevölkerungsreichen Rhein-Main-Gebiet könnte der Streit um den Großflughafen zu einem der wichtigsten Wahlkampfthemen werden.

Die neue Sichtweise des Ministerpräsidenten ist bei den Verfechtern eines unbedingten Nachtflugverbots aus den Reihen der FDP schnell angekommen. Die Liberalen könnten nach der Wahl zum Koalitionspartner der bisher allein regierenden CDU werden. Politisch sei das Nachtflugverbot zwar erwünscht, erklärte jetzt der FDP-Landtagsabgeordnete Dieter Posch. Doch nicht alles, was politisch gewollt sei, lasse sich realisieren.

Bei den Politikern machen die Fluggesellschaften Druck. Allein die Lufthansa besteht nach dem Ausbau auf wenigstens 41 Nachtflügen. Zum mit dem Frankfurter Flughafen liierten Regionalflughafen Hahn im weniger dicht besiedelten Hunsrück will in der Nacht keine Frachtfluglinie ausweichen. Hahn ist nicht ans Schienenetz angebunden, eine Bundesstraße wird gerade erst vierspurig ausgebaut.

So könnte es passieren, dass nach dem Ausbau des Rhein-Main-Flughafens dort mehr Maschinen nachts landen und starten als die 37 Flugzeuge bisher. Die Lufthansa drohte bereits mit der Verlegung ihrer Flotte nach München, falls es in Frankfurt zum absoluten Nachtflugverbot kommen sollte. Eine Hiobsbotschaft: Der Flughafen ist ein Jobmotor in der Region. Mit dem Ausbau würden ab 2011 noch rund 100.000 neue Arbeitsplätze zusätzlich entstehen, prophezeite Koch kürzlich. Wer also könnte dagegen sein?

Die Grünen etwa. Als einzige im Landtag vertretene Partei lehnen sie den Flughafenausbau bedingungslos ab. Sie sind damit zum parlamentarischen Arm der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau und der widerspenstigen Gemeinden rund um den Airport geworden. Das gab es in Hessen schon mal. Vor mehr als 25 Jahren beim gemeinsamen Kampf der außerparlamentarischen Startbahnbewegung und der Grünen im Hessischen Landtag gegen den Bau einer neuen Rollbahn für den Frankfurter Flughafen.

Doch heute befindet sich die Region nicht im Ausnahmezustand. Die SPD steht nicht wie damals vor einer Zerreißprobe. Allerdings müssen sich die Sozialdemokraten fragen lassen, ob sie weiter zum Nachtflugverbot als unverzichtbare Voraussetzung für ihre Zustimmung zum Flughafenausbau stehen – oder wie Koch und die FDP eher nicht mehr.

Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti sagt, das Nachtflugverbot sei unverzichtbar. Dann aber, konstatiert Partei- und Fraktionschef der Grünen, Tarek Al-Wazir, müssten die Sozialdemokraten den Antrag auf Ausbau ablehnen, falls das Nachtflugverbot tatsächlich aufgeweicht werde. Dass Koch das Versprechen für ein Nachtflugverbot bricht, steht für Al-Wazir außer Zweifel. Für die SPD könne es dann nur eine Konsequenz geben, sagt er: „Ein Votum gegen den Ausbau.“ So wäre auch ein Stolperstein auf dem Weg zu Rot-Grün aus dem Weg geräumt.

Noch in diesem Jahr will Kochs Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Rhein-Main-Flughafens vorlegen. Darin könnte die Anzahl der Nachtflüge fixiert sein. Oder auch nicht.