Dummheit kostet Unicef 20 Millionen Euro

Zehntausende Förderer kehren dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen nach dem Skandal 2006 den Rücken

KÖLN taz ■ Das Deutsche Komitee für Unicef rechnet in diesem Jahr mit Mindereinnahmen von bis zu 20 Millionen Euro. Das teilte der Vorsitzende Jürgen Heraeus bei der Vorstellung des Geschäftsberichtes 2007 am Dienstag in Köln mit. „Wir brauchen wieder das Vertrauen, das hat sehr gelitten in den vergangenen Monaten“, sagte er.

Das Kinderhilfswerk war Ende November letzten Jahres wegen des dubiosen Finanzgebarens ihres langjährigen Geschäftsführers Dietrich Garlichs in eine Führungs- und Vertrauenskrise geraten. Nach heftigem Streit traten im Februar zunächst die Unicef-Vorsitzende Heide Simonis und dann auch der umstrittene Garlichs zurück. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen entzog der Organisation das Spendensiegel, unter anderem, weil es den Einsatz provisionsabhängiger Spendenwerber verschwiegen hatte. „Wie man so etwas Dummes machen kann, ist mir völlig unerklärlich“, sagte Heraeus, der den Unicef-Vorsitz im April übernommen hatte.

Es habe offenkundig ein „Hauch von Unantastbarkeit“ über Unicef gelegen, kritisierte Heraeus. „Das ist für jedes Unternehmen schädlich.“ Die Folgen waren fatal: Von Dezember 2007 bis Mai 2008 sanken die Spendeneinnahmen um rund 20 Prozent. Rund 38.000 von 203.000 Fördermitgliedern kehrten Unicef den Rücken. Inzwischen sei allerdings die Kündigungswelle gestoppt, betonte Heraeus. „Wir haben schwere Monate hinter uns, in denen wir mit sehr viel Skepsis konfrontiert wurden“, sagte die Sprecherin des Beirats der Ehrenamtlichen, Carmen Creutz. Nun blicke sie indes „eigentlich wieder positiv in die Zukunft“.

Als eine Konsequenz aus der Krise soll es bei Unicef vorerst keine Provisionen mehr geben. „Im Geschäftsbericht 2008 wird die Zahl ‚Null‘ lauten“, sagte Heraeus. Zu den weiteren Lehren gehört auch eine Änderung der Satzung, mit der die bisher nicht vorhandene Trennung von Vorstand und Geschäftsführung festgeschrieben wird. Außerdem versucht Unicef verlorenen Boden wieder gutzumachen, indem die Organisation mehr Transparenz verspricht. So fiel der Geschäftsbericht für das vergangene Jahr umfangreicher und detaillierter aus als in der Vergangenheit. Er liste alle Einnahmen und Ausgaben „besser, transparenter und klarer nachvollziehbar“ auf, betonte Schatzmeisterin Anne Lütkes.

Da die Verbandskrise nur noch knapp das vergangene Geschäftsjahr streifte, sanken die gesamten Einnahmen von Unicef Deutschland 2007 bloß um vier Prozent auf 94,7 Millionen Euro. Damit schaffte das Kinderhilfswerk immerhin noch das drittbeste Ergebnis in seiner Geschichte. Davon waren 69,6 Millionen Euro Spenden, die um 6,1 Prozent zurückgingen. Der Verkauf von Grußkarten brachte fast unverändert rund 21 Millionen Euro ein. 19,4 Prozent gingen in Verwaltung, Werbung, Kampagnen- oder Informationsarbeit. „Wir bewegen uns damit im Vergleich zu anderen Organisationen im guten Mittelfeld“, sagte Heraeus. Rund 80 Prozent – 76,3 Millionen Euro – überwies das deutsche Komitee an Unicef-Programme in mehr als 50 Ländern.

PASCAL BEUCKER