Deutsche immer häufiger Ausländer

Mehr Geld, mehr Chancen, weniger Steuern: Laut einer Studie zieht es immer mehr junge Führungskräfte ins Ausland. Auch wenn einige vorhaben, nach Deutschland zurückzukehren – den Fachkräftemangel werden sie nicht beheben können

VON JULIA WALKER

Wenn Sie ein aufstrebender männlicher Akademiker sind, zwischen 30 und 39 Jahren, kinderlos und erste berufliche Erfahrungen haben, dann müssten sie eigentlich längst im Ausland leben. In den USA etwa, in Großbritannien oder in der Schweiz. Das behauptet zumindest eine neue Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, die am Dienstag vorgestellt wurde. Dazu hat die Basler Prognos AG 1.410 Fach- und Führungskräfte, die dauerhaft im Ausland leben, online befragt.

Die Zahl der deutschen Auswanderer hat sich seit 2001 drastisch erhöht: Das Statistische Bundesamt meldete für das Jahr 2007 rund 161.105 Fortzüge deutscher Staatsangehöriger aus Deutschland – eine Steigerung von rund 47 Prozent gegenüber 2001. Im vergangenen Jahr seien darunter viele Fach- und Führungskräfte gewesen, die zur „crème de la crème unserer Elite gehören“, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Walther Otremba dazu.

Die befragten Fach- und Führungskräfte leben im Durchschnitt seit sechs Jahren im Ausland, sind mit 63 Prozent überwiegend männlich und zu 84 Prozent AkademikerInnen. Etwa ein Fünftel der Befragten sind in den Berufen der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik tätig. Der Anreiz, ins Ausland zu gehen, liegt für Otremba auf der Hand: „Es ist selbstverständlich, dass junge Spezialisten ins Ausland gehen. Das gehört zur vernünftigen Vita dazu. Unser Wunsch wäre aber, dass ein großer Teil von ihnen auch wiederkommt.“

Allerdings sind die beruflichen Möglichkeiten im Ausland für die Befragten attraktiver. „Die besseren Berufs- und Einkommensperspektiven sind das Hauptmotiv für die Auswanderung von Fach- und Führungskräften“, sagte Iris Pfeiffer, Leiterin der Studie beim Prognos-Institut. Laut Umfrage sehen sich die qualifizierten Kräfte, insbesondere aus der Wissenschaft, von zu niedrigen Gehältern und unzureichenden Karrierechancen aus Deutschland getrieben. Für mehr als ein Drittel der Befragten sind zu hohe Steuern und Abgaben ein Motiv zur Auswanderung.

Neben materiellen Gründen ist Auswanderung bei allen auch durch den Wunsch nach mehr Freiraum für die Selbstverwirklichung motiviert. Gerade diejenigen, die bereits in Deutschland beruflich erfolgreich und gut verdienen, streben eine Verbesserung ihrer Verhältnisse an. Im direkten Vergleich ihrer Situation vor und nach der Auswanderung ergibt sich, dass in Deutschland 55 Prozent der Auswanderer mit ihren Lebensbedingungen insgesamt zufrieden waren, im Ausland sind es 84 Prozent. Vor allem der gesellschaftliche Status der Auswanderer und die Toleranz im Gastland werden besser bewertet als in Deutschland.

Trotz ihrer Kritik können sich die meisten Auswanderer vorstellen, in absehbarer Zeit nach Deutschland zurückzukehren. Nach Einschätzung der Prognos AG reichen allerdings die bis jetzt durchgeführten Reformen des Arbeitsmarktes nicht als Anreiz für eine Rückkehr der Fach- und Führungskräfte aus. Bis zum Jahr 2013 fehlen nach Angaben der Bundesregierung 330.000 AkademikerInnen – darunter 70.000 in den Naturwissenschaften und 85.000 in den Ingenieurberufen.