Regierung laviert bei Kinderarmut

Die Bundesregierung weiß offenbar wenig über das Ausmaß der Kinderarmut und die Situation der Einwandererkinder

BERLIN taz ■ Während sich die Union und SPD mit Aktionsplänen zum Kampf gegen Kinderarmut überbieten, ist die Bundesregierung anscheinend schlecht über die aktuelle Lage informiert. Das jedenfalls vermittelt ihre Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken zu Kinderarmut, die der taz vorliegt.

Die Zahl der Kinder, die von Armut bedroht sind, wird von der Bundesregierung mit 12 Prozent beziffert – eine Berechnung, die Arbeitsminister Olaf Scholz kürzlich im Armutsbericht vorlegte und die aus dem Jahr 2005 stammt. Im Gegensatz dazu liegen aber längst aktuelle Zahlen aus dem Familienministerium vor: Rund 16 bis 17 Prozent der Kinder in Deutschland sind demnach gefährdet, in die Armut abzurutschen. „Die Bundesregierung leugnet hier die gestiegene Armutsgefährdung“, sagte Diana Golze, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linken, und nannte das „Schönfärberei, die das Problem Kinderarmut nicht lösen werde“. Ein Regierungssprecher erklärte demgegenüber, die 12 Prozent seien auf Grundlage international vergleichbarer Methoden erhoben worden, daher sei ihre Verwendung von Vorteil. Es gebe so oder so zu viele Kinder, die in Armut leben. Man müsse die Ursachen bekämpfen, die – egal welchen – Zahlen zugrunde liegen.

Kinder aus Einwandererfamilien, die oft am meisten unter Armut leiden, scheinen indes gar nicht im Blickfeld der Regierung zu liegen. Auf eine Frage nach ihrer Lebenssituation lautet die knappe Antwort: „Hierzu liegen der Bundesregierung keine eigenen Daten der amtlichen Statistik vor.“ Diese Aussage hält die Linksfraktion für einen „Gipfel an Ignoranz“, so Diana Golze. Das konterkariere jeglichen Integrationsplan der Regierung.

Dabei liegen Zahlen durchaus vor. Familienministerin Ursula von der Leyen hatte kürzlich bekannt gegeben, dass vor allem Kinder aus Migrantenfamilien von Armut gefährdet sind, und bezifferte die Armutsrisikoquote dieser Gruppe mit rund 30 Prozent. Auch das Arbeitsministerium hatte von 32 Prozent gesprochen.

Besonders strittig ist auch die Antwort der Bundesregierung darauf, ob sie die Existenzsicherung von Kindern durch Hartz IV als ausreichend sieht. Vertreter der Koalition wie auch der Kinderschutzbund und das Kinderhilfswerk dringen hier auf eine Besserung der Situation. Die offizielle Antwort der Bundesregierung aber lautet: „Ja. Die Regelsätze in der Sozialhilfe sichern das soziokulturelle Existenzminimum.“ NICOLE JANZ