Humboldt besiegt das Kapital

Der Senat der Universität Siegen setzt sich im Kampf um die Neuwahl des Rektors durch – gegen den mit Firmenchefs besetzten Hochschulrat. Doch der Streit um die Macht an der Uni in Nordrhein-Westfalen wird nur aufgeschoben

BERLIN taz ■ Die Universität Siegen bekommt erst zum Wintersemester 2009/10 einen neuen Rektor. Der amtierende Rektor Ralf Schnell wird die Geschäfte bis dahin weiterführen. Das entschieden am Wochenende die wichtigsten Uni-Gremien nach einer Diskussion, die „in der Sache hart, im Ton aber versöhnlich war“, wie Universitätssprecher Ullrich Georgi am Sonntag berichtete. Dieser Vereinbarung an einer mittelgroßen Hochschule in NRW ging ein Streit zwischen Senat und Hochschulrat voraus, der über die Campusgrenzen hinaus vernehmbar war.

Während der Senat, in dem die Professoren die Mehrheit haben, die Humboldt’sche Gruppenuniversität repräsentiert, steht der Hochschulrat, der zur Hälfte aus externen Beratern besteht, für die neue, unternehmerisch geführte Uni. Solche „Aufsichtsräte“ existieren mittlerweile an fast allen Hochschulen. In Nordrhein-Westfalen haben sie die Aufgabe, den Rektor zu wählen. So sieht es das seit Januar geltende Hochschulfreiheitsgesetz vor.

Genau dies hatte der achtköpfige Hochschulrat in Siegen getan: Er erkor im Juli den Naturwissenschaftler Jörg Steinbach zum Wunschkandidaten und wählte ihn zum Nachfolger von Noch-Rektor Schnell. Der sah sich düpiert, der Senat fühlte sich übergangen und legte ein Veto ein. Schnell sagt: „Der Fall Siegen ist exemplarisch für die Fremdbestimmung, die durch die Hochschulräte über die Unis hereinbricht.“

Was durchaus legitim sei, meint die Direktorin des Internationalen Zentrums für Hochschulforschung (INCHER) in Kassel, Barbara M. Kehm: „Die Universitäten haben mehr Freiheiten erhalten. Im Zuge dessen ist es natürlich, wenn gesellschaftliche Vertreter Mitspracherechte bekommen.“ Das müsse kein Eingriff in die Freiheit von Lehre und Wissenschaft sein. Kehm plädiert dafür, die Rolle der Hochschulräte und ihre Zusammensetzung zu klären. Mit nur beratender Funktion seien sie zahnlose Tiger, aber mitbestimmen sollten nicht nur Repräsentanten von Unternehmen vor Ort. „Dann sind Interessenkonflikte programmiert.“ Manche europäische Nachbarländern wie Österreich seien da weiter. „Deutschland verändert sich im internationalen Vergleich langsam“, so Kehm.

Senat und Hochschulrat in Siegen wollen sich nun absprechen, welchen Kandidaten sie warum aufstellen wollen. Die Ausschreibung beginnt Ende Januar. Der Noch-Rektor Schnell will nicht noch einmal antreten.

ANNA LEHMANN