Nicht mehr der Exot auf dem Spielplatz

Befördert durch die „Papamonate“ im Elternzeitgesetz suchen kinderbetreuende Männer den Kontakt zu Gleichgesinnten. Väterzentrum in Berlin bietet „Papa-Viewing“ der Bundesliga für Vater und Kind. Websites liefern Infos und fördern Austausch

VON THOMAS GESTERKAMP

An der Marienburger Straße im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg herrscht trotz breiter Bürgersteige Kinderwagenstau. Vor einer Bio-Eisdiele warten Mütter,Väter und Kleinkinder. „Wir haben hier die höchsten Geburtenzahlen in Deutschland“, sagt Eberhard Schäfer, der um die Ecke ein „Väterzentrum“ aufgemacht hat. „Die einzelnen Familien kriegen gar nicht so viele Kinder, doch im Stadtteil leben fast nur noch Leute zwischen 25 und 40.“ Mitten im gebärfähigen Alter also, und deshalb hat sich Schäfer die Lage seines Treffpunkts genau überlegt: „Wir wollten dahin, wo der größte Bedarf ist.“

Väterzentren liegen im Trend, nicht nur in Berlin. Forciert hat diese Entwicklung das neue Elterngeld, das mit der Zahlung einer Lohnersatzleistung von 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens Männern erstmals ein auch finanziell attraktives Angebot macht, sich um ihre Kinder zu kümmern. Trotz Babypause können sie weiterhin Wesentliches zum Familieneinkommen beitragen, müssen ihre Versorgerrolle nicht vollständig aufgeben. Dabei sind sie bereit zu monetärem Pragmatismus: Leichter als frühere Vätergenerationen können sie ertragen, zeitweise weniger zu verdienen als ihre Partnerinnen.

Die einst als „Windelvolontariat“ geschmähten Papamonate will Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen jetzt sogar verlängern – wegen der großen Nachfrage. Fast 20 Prozent der Anträge stellten im zweiten Quartal 2008 Väter – das ist nahezu sechsmal mehr als beim früheren Erziehungsgeld. Vielerorts haben Männer dennoch Schwierigkeiten, Gleichgesinnte zu finden. Stillcafés für Mütter finden sich selbst in Kleinstädten, Treffpunkte für Väter fehlen bisher weitgehend.

Die Räume des Berliner Zentrums wirken auf den ersten Blick wie eine herkömmliche Familienbildungsstätte, dann aber fallen Unterschiede auf. Kickertische und eine Carrerabahn stehen neben dem Wickeltisch. Auch das Plakat, das zum öffentlichen „Papa-Viewing“ der Bundesliga einlädt – mit dem Nachwuchs selbstverständlich –, dürfte anderswo fehlen. Kein Zufall, trugen die Familienbildungsstätten doch früher den Namen „Mütterschulen“.

Ein Vorreiter der neuen Idee ist der Verein „Väter e.V.“ in Hamburg-Altona, der Männer schon seit 2001 gezielt anspricht und sie bei der Vereinbarkeit von Job und Privatleben unterstützt. „Wir beraten große Betriebe wie Airbus oder die Senatsverwaltung und werben dort gezielt für familienbewusste Arbeitszeitmodelle“, berichtet Geschäftsführer Volker Baisch. Wegweisend war seine Idee eines Internet-Auftritts: vaeter.de präsentiert Material zu allen Facetten aktiver Vaterschaft.

Sozialarbeiter, Therapeuten, Berater, Wissenschaftler und Publizisten, die in der Väterarbeit professionell tätig sind, haben sich zudem im „Väter-Experten-Netz Deutschland“ (VEND) zusammengeschlossen. Getragen wird es von lokalen Bündnissen wie dem „Männer-Väter-Forum“ in Köln oder der Initiative „Männer und Leben“ in Frankfurt.

Im Rhein-Main-Gebiet ist die Kooperation mit großen Firmen wie Fraport oder der Commerzbank besonders weit gediehen. „Wir versuchen jedoch, auch in kleineren Unternehmen für väterorientierte Personalkonzepte zu werben“, sagt Forums-Gründer Harald Seehausen. Auf einer Impulstagung zum Väterthema stand ein Firmenvertreter im Nadelstreifenanzug auf der Bühne und „traute sich, über ein Tabuthema unter Führungskräften, nämlich über persönliche Probleme im Spagat zwischen Beruf und Familie, öffentlich zu reden“, schildert Seehausen.

Die Debatte um die Vaterrolle beschränkt sich bisher auf die Phase nach der Geburt. Die Pioniere der Papamonate werden bald merken, dass Kinderaufziehen nicht ein paar Monate, sondern zwanzig Jahre dauert. Längere Babypausen für Väter sind eine gute Idee, entscheidender aber ist eine Unternehmenskultur, die weniger geprägt ist durch Anwesenheitszwang und beliebige Verfügbarkeit.