Sieg gegen Kruzifixpflicht

BAYERN Es dauerte dreieinhalb Jahre, bis in einem Nürnberger Klassenzimmer das Kreuz abgehängt wurde, weil Eltern das so wollten. Die Tochter lernt mittlerweile woanders

„In jedem Klassenraum wird ein Kreuz angebracht“

BAYERISCHES SCHULGESETZ

AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH

In bayerischen Grund- und Hauptschulen hängt in fast jedem Klassenraum ein Kruzifix. Eltern können zwar verlangen, dass es abgehängt wird. Doch wie langwierig dies ist, zeigt ein Fall aus Nürnberg.

Der Streit begann im Herbst 2006, als Petra (Name geändert) eingeschult wurde. Ihre Eltern verlangten, das Kruzifix an der Wand des Klassenzimmers abzuhängen, weil dies der religiösen Neutralität widerspreche.

„Das Kreuz drückt eine Dominanz des christlichen Glaubens aus und lässt keinen gleichberechtigten Raum für andere Weltanschauungen“, so ihre Begründung. Als Alternative zur Kreuzentfernung boten sie an, auch die Symbole anderer Weltanschauungen aufzuhängen.

Es gab ein Gespräch mit der Schulleiterin und der Klassenlehrerin. Am Ende gaben die Eltern „um des Lieben Friedens willen“ nach.

Die damalige Klassenlehrerin bemühte sich dann immerhin um einen religiös neutralen Unterricht. Das änderte sich aber, als Petras Klasse im Sommer 2008 eine neue Lehrerin erhielt, die mit den Kindern zweimal täglich christliche Gebete sprach und darin auch auf Nachfrage keinerlei Problem sah.

Nun wollte die Mutter auch nicht mehr zurückstecken und forderte wieder die Abnahme des Kruzifixes. Sie berief sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995. Damals hatte Karlsruhe die bayerische Kruzifixpflicht beanstandet. Die Religionsfreiheit verbiete es, dass Kinder zum „Lernen unter dem Kreuz“ verpflichtet werden.

Im bayerischen Schulgesetz heißt es: „Angesichts der kulturellen und geschichtlichen Prägung Bayerns wird in jedem Klassenraum ein Kreuz angebracht.“ Das Gesetz, das für die rund 3.000 Grund- und Hauptschulen im Freistaat gilt, sieht allerdings auch vor, dass Eltern widersprechen können und die Schulleitung dann eine „gütliche Einigung“ versuchen soll. Dabei sei auch der „Wille der Mehrheit“ zu berücksichtigen. 1999 erklärte das Bundesverwaltungsgericht, das Gesetz sei verfassungskonform, wenn widersprechende Eltern im Klassenverband anonym bleiben können und an die Begründung des Widerspruchs keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.

In der Praxis begann die Mutter einen Hürdenlauf mit ungewissem Ausgang. Auch das Schulamt und der städtische Schulbürgermeister schalteten sich ein. Die Rektorin bot an, das Kreuz so zu hängen, dass Petra es im Unterricht nicht sieht. Außerdem legte sie den Wechsel des Mädchens auf eine Grundschule ohne Kruzifixe nahe. Dabei gibt es nach Auskunft des Schulamts gar keine Grundschulen ohne Kreuz im Klassenzimmer.

Es verging mehr als ein Jahr mit Gesprächen und Schriftwechseln. Die Rektorin warf der Mutter vor, dass sie keine Glaubensprobleme geltend mache. Die Anwältin der Mutter drohte mit einer Untätigkeitsklage.

Da kam kurz vor Weihnachten die Nachricht der Rektorin. Weil Petra schon in die vierte Klasse gehe, sei ein Schulwechsel „nicht angemessen“. Deshalb werde das Kruzifix nach den Weihnachtsferien abgenommen. Ab heute wird das Mädchen in einem neutralen Klassenzimmer lernen.

In Nürnberg war es nach Angaben des Schulamts der erste Widerspruch gegen ein schulisches Kruzifix seit 2002.