Chef des Ärzte-TÜVs muss Pharma-Freund weichen

MEDIZIN Der IQWiG-Leiter Peter Sawicki wird abgelöst. Experten befürchten industrienahen Nachfolger

BERLIN taz | Der Stiftungsrat des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, kurz IQWiG, wird heute voraussichtlich die Ablösung des Instituts-Leiters Peter Sawicki beschließen. Nachdem sich der fünfköpfige Vorstand am Mittwoch nicht auf ein einstimmiges Votum einigen konnte, werden die zwölf Mitglieder des Stiftungsrats einen Vorschlag machen. In Institutskreisen wird erwartet, der Rat werde Sawickis Vertrag Ende August auslaufen lassen. Kritiker befürchten, die Ablösung des pharmakritischen Diabetologen werde das Ansehen der Medikamenten-Prüfstelle schädigen – mit Folgen für Millionen Krankenversicherte.

Anlass ist eine Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO Deutsche Warentreuhand, die Sawicki im November 2009 selbst in Auftrag gegeben hat. Die Prüfer urteilen in ihrem vertraulichen Bericht, der der taz vorliegt, Sawicki habe seinem Institut durch falsch abgerechnete Reisekosten und das Leasen zweier Dienstwagen Kosten in Höhe von 40.600 Euro verursacht. In der Vorstandssitzung am vergangenen Mittwoch verteidigte sich Sawicki gegen die Vorwürfe. Dazu diente dem Instituts-Leiter auch ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten einer Anwalts- und Steuerberater-Kanzlei, das der taz ebenfalls vorliegt. Die Gutachter kommen darin zu dem Schluss, Sawickis Nutzung der Dienstwagen sei „vertragsgemäß“ gewesen.

Ursache für die Ablösung ist jedoch nach Kritikermeinung vielmehr, dass Sawicki sich viele Feinde bei Pharma-Unternehmen gemacht habe. Sein Institut hat neuen Medikamenten wiederholt bescheinigt, nicht wirksamer als alte, günstigere Arzneien zu sein.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fürchtet um die Unabhängigkeit der Arznei-Prüfstelle: „Herr Sawicki wurde unter fadenscheinigen Vorwänden weggemobbt“, sagte Lauterbach der taz. „Kein pharmakritischer Wissenschaftler wird sich nun für seine Nachfolge hergeben.“

MATTHIAS LOHRE