Knobloch verzichtet

ZENTRALRAT Die Präsidentin des Zentralrats der Juden tritt nicht mehr für eine weitere Amtszeit an

BERLIN dpa/apn | Der Zentralrat der Juden in Deutschland steht vor einem historischen Generationenwechsel. Die bisherige Präsidentin, Charlotte Knobloch, verzichtet auf eine weitere Amtszeit. Das erklärte die 77-Jährige am Sonntag auf einer Direktoriumssitzung des Gremiums in Frankfurt am Main. Damit wird der Zentralrat aller Voraussicht nach künftig erstmals von einer Person geführt, die den Massenmord an den europäischen Juden nicht mehr selbst miterlebt hat.

Das Direktorium und das Präsidium des Zentralrats sprachen Knobloch das volle und uneingeschränkte Vertrauen aus. Mit „Respekt und Anerkennung“ hätten die beiden Gremien zur Kenntnis genommen, dass die Präsidentin bewusst einen Generationswechsel herbeiführen wolle, den sie aktiv unterstützen und begleiten werde. In einer Presseerklärung hieß es weiter, es herrsche Übereinstimmung, dass die Präsidentin ihr Amt bis zum Ende der Wahlperiode ausüben werde.

In den vergangenen Wochen war Knobloch nachgesagt worden, dass sie im engeren Führungskreis des Verbandes keinen Rückhalt mehr habe. Die reguläre Amtszeit der Münchnerin endet im November. Knobloch war nach dem Tod Paul Spiegels im Juni 2006 an die Spitze des Zentralrats gerückt. Sie selbst ließ in Gastbeiträgen für Medien keine Amtsmüdigkeit erkennen.

Charlotte Knobloch ist die erste Frau an der Spitze des Zentralrats der Juden und zugleich aller Voraussicht nach die letzte, die noch zur sogenannten Schoah- Generation gehörte. Ihre Großmutter starb im NS-Vernichtungslager Auschwitz. Sie selbst, Tochter des Münchner Rechtsanwalts und späteren bayerischen Senators Fritz Neuland, überstand die Jahre der Nazi-Herrschaft in einem Versteck auf einem Bauernhof im nordbayerischen Franken. Dort wurde sie als uneheliches Kind einer Katholikin ausgegeben. Knobloch ist seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, der mit rund 9.300 Mitgliedern zweitgrößten jüdischen Gemeinde in Deutschland. Seit 2005 war die Münchnerin bereits Vizepräsidentin im Jüdischen Weltkongress.

Als Nachfolger Knoblochs wird der bisherige Vizepräsident Dieter Graumann gehandelt. Anders als die 77-Jährige gehört der Frankfurter Unternehmer der Generation an, die den Massenmord an den europäischen Juden nicht mehr selbst erlebt hat.

Unter dem Dach des Zentralrates sind 23 Landesverbände mit insgesamt 107 jüdischen Gemeinden und rund 106.000 Mitgliedern organisiert.

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