Klamme Kommunen noch klammer

HAUSHALTE Das Defizit in den Kassen der Städte und Gemeinden wird 2010 noch größer sein als bisher befürchtet. Ein Ausweg ist nur eine Beteiligung von Bund und Ländern, sagt SPD-Politiker Anton Schaaf

■ Die Schere zwischen armen und reichen Kommunen geht in Nordrhein-Westfalen auseinander.

■ 62 Städte und Gemeinden haben demnach tiefrote Zahlen geschrieben, teilte die Bertelsmann-Stiftung jüngst mit Bezug auf den kommunalen Finanz- und Schuldenreport des Landes mit. Dagegen erzielte eine Gruppe von 43 Kommunen hohe Überschüsse.

■ Insbesondere Essen, Oberhausen, Duisburg, Wuppertal und Dortmund gehören zu den speziell durch Kassenkredite belasteten Kommunen.

■ Mit diesen Kassenkrediten sollen eigentlich nur kurzfristige Kosten gedeckt werden, sie werden von armen Kommunen aber mehr und mehr für laufende Kosten eingesetzt. (dpa, gor)

BERLIN taz | Einige Tage ist die lang erwartete Steuerschätzung bekannt – nun verbreiten sich Stück für Stück die unangenehmen Folgen der schlechten Finanzprognose: Die Kommunen, ohnehin vielfach gebeutelt und seit langem am Rand der finanziellen Möglichkeiten, müssen im Jahr 2010 mit noch weniger Geld auskommen als erwartet.

Auf 15 Milliarden Euro beziffert die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Petra Roth (CDU), das befürchtete Defizit der Kommunen in der Frankfurter Rundschau. Damit ist nicht nur ein Rekordminus in den Kassen zu erwarten – es ist auch noch einmal drei Milliarden Euro höher als in der bisher gültigen und bereits düsteren Prognose vorhergesagt.

2010 sinken die kommunalen Steuereinnahmen nach der Steuerschätzung demnach voraussichtlich auf insgesamt rund 65 Milliarden Euro – 2008 waren es noch 77 Milliarden Euro. Etwa zur Hälfte beruhe dieser Rückgang nicht auf der Konjunktur, sondern auf Steuerrechtsänderungen, so der Städtetag. Ihr bisheriges Rekorddefizit verzeichneten die Städte und Gemeinden im Jahr 2003, dem Jahr von Konjunkturkrise und fehlenden Steuereinnahmen durch hohe Arbeitslosigkeit.

Roth begrüßte die Abkehr von den Plänen der Bundesregierung, in absehbarer Zeit die Steuern zu senken und damit die Einnahmen weiter zu verknappen. „Unsere Haushalte sind völlig überstrapaziert“, sagte die Frankfurter Oberbürgermeisterin.

Die Kommunen finanzieren sich zum größten Teil aus Gewerbesteuern, die Unternehmen zahlen müssen. Dabei bemessen sich die Einnahmen nach dem jeweiligen Ertrag der Unternehmen. Zusätzlich erhalten Städte und Gemeinden 15 Prozent der Lohn- und Einkommensteuer sowie Grund-, Hunde- und Vergnügungsteuern. In einem Umlageverfahren organisieren die Bundesländer zudem einen Finanzausgleich für ärmere Kommunen, die so Mittel aus Umsatz- und Körperschaftsteuer erhalten.

Die finanzielle Not lässt viele Kommunen erfinderisch werden. Um nicht auch noch die letzten Schwimmbäder, Theater oder Bibliotheken schließen zu müssen, denken mehrere Städte nun über die Einführung einer Bettensteuer nach dem Vorbild Kölns nach, mit der Hotels belastet werden. Erst in dieser Woche hat Saarbrücken Pläne bekannt gegeben, nach denen eine solche Bettensteuer auch dort eingeführt werden soll.

Die klammen Kommunalfinanzen waren auch eines der Hauptthemen im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen. Durch den Strukturwandel im Ruhrgebiet gibt es dort besonders viele Städte, die große Finanzprobleme haben. In Städten wie Oberhausen werden seit Anfang der Neunzigerjahre Defizite verzeichnet.

„Die Lage ist katastrophal“, sagt der Mühlheimer SPD-Bundestagsabgeordnete Anton Schaaf, „wir können bald nichts mehr vor Ort entscheiden.“ Insbesondere bei den „freiwilligen Leistungen“ müsse gekürzt werden, sagte Schaaf der taz, also bei den Bildungs- und Kultureinrichtungen.

Einen Ausweg sieht der Politiker nur in einem stärkeren Engagement von außen. „Das Land und der Bund müssen sich beteiligen – sonst kommen die Kommunen aus der Falle nicht mehr raus.“ GORDON REPINSKI