Zu wenig Schutz vor prügelnden Vätern

SORGERECHT Vertreterinnen von Frauenhäusern fordern Sonderregelung für Opfer häuslicher Gewalt

Sofort einen bedingungslosen Umgang zu ermöglichen ist nicht der richtige Weg

BERLIN taz | Frauenhausvertreterinnen kritisieren ein gemeinsames Sorgerecht mit ledigen Vätern als Gefahr für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden. Das Verfassungsgericht hatte vergangene Woche geurteilt, dass auch ledige Väter prinzipiell das Sorgerecht einklagen können.

Wenn eine Betroffene in ein Frauenhaus flüchtet, sollte sie dort jedoch vor dem gewalttätigen Partner sicher sein. Doch wenn der Mann, vor dem sie sich versteckt, das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder erhalte, erfahre er in vielen Fällen ihre Adresse. „Die Anonymität des Frauenhauses zu wahren erfordert große Sorgfalt von allen Beteiligten, das passiert nicht immer“, sagt Heike Herold von der bundesweiten Frauenhauskoordinierung. Zudem habe der Vater häufig die Möglichkeit, über die Kinder herauszufinden, wo sich die Mutter aufhält. In vielen Fällen müsse die Frau in ein anderes Frauenhaus wechseln.

Eva Hack von der Koordinierungsstelle der autonomen Frauenhäuser sagt, ein Problem sei auch, dass die Frau – allerdings bereits beim Umgangsrecht – zur Herausgabe der Kinder gezwungen werden kann, wodurch sie Kontakt zu ihrem vorigen Gewalttäter habe. Bislang konnten nur zuvor verheiratete Männer die gemeinsame Sorge gegen den Willen der Frau erzwingen.

Mit dem neuen Kindschaftsrecht seit 1998 und besonders dessen Verschärfung seit 2008 wurde das vermehrt getan.

Frauenhausvertreterinnen fordern deshalb seit Langem eine Sonderregelung für Opfer häuslicher Gewalt in den entsprechenden Gesetzen. Wenn ein Mann gewalttätig sei, müsse genau geprüft werden, ob er das Sorgerecht beantragen dürfe, sagt Herold. Ideal sei zumindest eine Ruhepause für die Kinder. „Wir haben das bereits vor Jahren bei einer Bundestagsanhörung gefordert, haben uns aber nicht durchsetzen können“, sagt Herold. Nun stehe es nicht im Gesetzestext, sondern abgeschwächt in dessen Begründung, wodurch es leider in der Rechtspraxis keine vorrangige Rolle spiele.

Hack sagt, Männer, die Gewalt ausüben, sollten weder Sorge- noch Umgangsrecht erhalten, bis sie eine Verhaltensänderung nachgewiesen haben, etwa über eine Therapie. „Sofort einen bedingungslosen Umgang zu ermöglichen ist nicht der richtige Weg“, sagt Hack. Leider würden die Gerichte in vielen Fällen davon ausgehen, dass der Umgang mit dem biologischen Vater per se gut für das Kindeswohl sei. In Schweden dürfe der Gewalt ausübende Partner zunächst keinen Umgang mit seinen Kindern haben. „Bei uns in Deutschland ist es der umgekehrte Weg“, sagt Herold. In Deutschland werde erst versucht, den Umgang zu ermöglichen und dann geprüft. Damit würde man der Sicherheit von Müttern und Kindern eher nicht gerecht.

Nach Schätzungen der Frauenhauskoordinierung flüchten jährlich 20.000 Frauen in ein Frauenhaus, etwa 20.000 Kinder begleiten sie dabei. Nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums ist jede vierte Frau einmal im Leben von Gewalt durch einen Intimpartner betroffen. KARIN SCHÄDLER