135.000 Unterschriften: Niedersachsen lieben Gesamtschulen

Niedersächsische Eltern und Lehrer wollen mehr Gesamtschulen. Über 135.000 Unterschriften haben sie bereits gesammelt. Der Trend ist anders als in Hamburg.

Köpfchen muss man haben: Lenas wurde geschult an einer niedersächsischen Gesamtschule. Bild: dpa

BERLIn taz | Er sei im Grunde ein Konservativer, sagt Hubertus von Wick über sich. Doch seit einiger Zeit hadert der Oberstufenleiter der Integrierten Gesamtschule Langenhagen mit der niedersächsischen Landesregierung. Mit einer Internetseite "CDU-Wähler für Gesamtschulen" versucht er der Regierung seiner Wahl klar zu machen, "dass ihre Entscheidungen und Beschlüsse zur Gesamtschule bildungspolitisch fatal sind". Als einer von 135.000 Niedersachsen unterstützt von Wick daher das "Volksbegehren für gute Schulen".

Allein im Juli haben die Initiatoren über 30.000 neue Unterschriften beim Landeswahlleiter eingereicht. Sie fordern von der schwarz-gelben Landesregierung unter David McAllister (CDU) mehr Gesamtschulen, bessere Grundschulen und eine Rückkehr zum Abitur nach Klasse 13. "Hamburg hat uns Auftrieb gegeben, im Hinblick auf die Möglichkeiten von Volksentscheiden", sagt die Sprecherin des Netzwerks, Andrea Hesse.

In Hamburg hatte eine Elterninitiative im Juli einen Volksentscheid gewonnen. Im Gegensatz zu den Hamburgern streben die Niedersachsen mehr Gemeinsamkeit in der Schule an. So forden sie, die Gründung Integrierter Gesamtschulen zu erleichtern, also Schulen, in denen bis Klasse 7 nicht nach Leistung sortiert wird. Bis Anfang 2011 müssen sie 600.000 Unterschriften vorlegen, damit die Bürger direkt abstimmen dürfen.

Initiator der Unterschriftenaktion ist das "Bündnis für gute Schulen", das Eltern und Pädagogen im Sommer 2009 in Hannover gründeten. Anlass waren Proteste gegen das neue Schulgesetz. Dieses legte untere anderem fest, dass Gesamtschulen nur dann gegründet werden dürfen, wenn auf Jahre hinaus mindestens fünf Parallelklassen zusammen kommen und keine anderen Schulen gefährdet sind.

Einen Schulkampf wie in Hamburg befürchten die Niedersachsen nicht. "Wir wollen das dreigliedrige Schulsystem ja gar nicht antasten", sagt Hesse. "Aber die Eltern sollen eine Alternative haben."

Viele Gymnasialeltern und Schüler sind vom Dauerdruck genervt, den die Verkürzung der Abiturzeit auf acht Jahre erzeugt. Gewinner des G8 waren die Gesamtschulen, die ihren Schülern bisher eine 13-jährige Schulzeit anboten. Seit diesem Schuljahr müssen auch sie das Express-Abitur verpflichtend einführen.

Der Beliebtheit der insgesamt 65 Gesamtschulen hat das bisher nicht geschadet. Im 160.000 Einwohner zählenden Landkreis Schaumburg etwa sind in den letzten zwei Jahren vier neue Integrierte Gesamtschulen gegründet worden. Dennoch reichten die Plätze nicht für alle Interessierten aus, erzählt Landrat Heinz-Gerhard Schöttelndreier. Quer durch alle Fraktionen hat der Landkreis daher zwei weitere Schulen beantragt. Die Chancen stünden schlecht, teilte die Landesregierung in einem Vorbescheid mit. "Die Eltern sind empört", berichtet Schöttelndreier.

Auch die Gesamtschule Langenhagen musste im neuen Schuljahr fast jeden zweiten Bewerber ablehnen, berichtet Schulleiter Wolfgang Kuschel. Doch die Schulzeitverkürzung ist tückisch für das Konzept seiner Schule "Schnelle und langsame Schüler lernen zusammen und voneinander". Potenzielle Gymnasiasten sollen nun bereits in der 6. Klasse von ihren Klassenkameraden separiert werden, um in Zusatzkursen gefördert zu werden. "Damit müssten wir das gemeinsame Lernen einstellen und würden das dreigliedrige Schulsystem reproduzieren."

Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) hat indes eine Arbeitsgruppe einberufen. Eine Sprecherin erklärte der taz, zusammen mit den Kommunen wolle er erörtern lassen, wie die Schulstrukturen regional flexibel fortentwickelt werden könnten. Dieser Vorschlag solle möglichst noch in diesem Jahr vorgestellt werden. Am Abitur nach Klasse 12 hält Althusmann aber fest: "Im Interesse einheitlicher Lernbedingungen."

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