Pläne zur Familienpflegezeit: Arbeitnehmer sollen für Ausfälle haften

Familienministerin Schröder (CDU) kommt bei ihren Plänen für eine Familienpflegezeit der Wirtschaft entgegen: Die Arbeitnehmer sollen die Risiken des Gesetzes selbst tragen.

"Es ist nicht einsehbar, wieso Pflegende deutlich schlechter gestellt werden als Erziehende in der Elternzeit", so der Paritätische Wohlfahrtsverband. Bild: ap

BERLIN taz | Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hat am Donnerstag ihre Pläne für eine Familienpflegezeit konkretisiert und ist dabei deutlich auf Forderungen von Arbeitgebern zugegangen. Demnach müssen Beschäftigte, die eine Pflegezeit in Anspruch nehmen, eine zusätzliche Versicherung abschließen, die einspringt, sofern sie nach der Pflegezeit wegen Berufsunfähigkeit oder Tod den Lohnvorschuss nicht zurückzahlen können. Außerdem können Unternehmen ihre Zusatzkosten durch Darlehen finanzieren.

Schröder will nun bis Herbst Eckpunkte für ein Gesetz ausarbeiten und mit den Gesundheits- und Finanzministerien abstimmen. Spätestens im Sommer 2011 soll die Familienpflegezeit in Kraft treten.

Vor zwei Monaten hatte Schröder erstmals ihr Konzept vorgestellt. Demnach sollen Berufstätige ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren auf bis zu 50 Prozent reduzieren können, aber 75 Prozent ihres Gehalts beziehen. Zum Ausgleich müssten sie später wieder voll arbeiten, bekämen aber in diesem Fall weiter nur 75 Prozent des Gehalts. Das Modell geht allerdings von Vollbeschäftigten aus. Menschen, die weniger arbeiten, würden ihre Arbeitszeit höchstens auf 50 Prozent einer Vollzeitstelle absenken können, präzisierte Schröder.

Damals hatten Arbeitgeber kritisiert, dass sie in den ersten zwei Jahren hohe Kosten haben würden und nicht klar sei, was passiere, falls die Pflegenden danach nicht weiter arbeiteten. Schröders Plänen zufolge sollen die Beschäftigten deshalb eine weitere Versicherung für die Zusatzkosten der ersten zwei Jahre abschließen und dafür monatlich einen "niedrigen zweistelligen Eurobetrag" zahlen. Einer Modellrechnung zufolge müsste eine 50-jährige Frau mit einem Bruttolohn von 3.000 Euro rund zehn Euro monatlich zahlen.

Der Ökonom Bert Rürup hat das Versicherungskonzept ausgearbeitet. Für Firmen, die anfallende Zusatzkosten in den ersten zwei Jahren Pflegezeit nicht zahlen können, werde die Kreditanstalt für Wiederaufbau zinslose Darlehen zur Verfügung stellen - allerdings nur für kleine und mittelgroße Unternehmen. Das Ministerium werde für mögliche Ausfälle bürgen, etwa im Fall einer Privatinsolvenz, erklärte Schröder.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband zeigte sich vom Konzept enttäuscht. Schröders Vorschlag gehe zu Lasten der pflegenden Angehörigen und werde der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf nicht gerecht, so der Vorsitzende des Verbandes, Eberhard Jüttner. "Es ist nicht einsehbar, wieso Pflegende deutlich schlechter gestellt werden als Erziehende in der Elternzeit." In Deutschland erhalten rund 2,25 Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung, zwei Drittel werden von ihren Angehörigen zu Hause versorgt.

Eine Studie der AOK hatte allerdings im vergangenen Herbst gezeigt, dass ein Großteil der pflegenden Angehörigen in Rente sind oder nur stundenweise beziehungsweise halbtags arbeiten. Nur ein gutes Fünftel würde das Recht auf Pflegezeit in Anspruch nehmen können.

Auch decken zwei Jahre Pflegezeit nur einen Teil der Pflegebedürftigen ab: Schröders Zahlen zufolge ist die Pflegedauer bei knapp einer Hälfte der Frauen und gut einem Drittel der Männer länger als zwei Jahre. "In dem Fall können sich Ehepartner und Geschwister bei der Pflegezeit ablösen", sagte Schröder.

Derzeit können sich Beschäftigte kurzfristig ein halbes Jahr freistellen lassen, um Angehörige zu pflegen. Sie bekommen dann keinen Lohn. In vielen Betrieben gibt es aber individuelle Teilzeitmodelle.

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