Alleinerziehende Mütter und Väter: Die Ehe scheidet Ost und West

Im Osten leben Ehemuffel, ein Kind alleine großzuziehen hält man hier für nicht so schlimm. Im Westen aber wird Frauen geraten: Bloß nicht heiraten!

Ist doch gar nicht so schlimm: studieren mit Kind. Bild: dpa

BERLIN taz | Alleinerziehend ist nicht gleich alleinerziehend. Zumindest gefühlt. Auch 20 Jahre nach der Wende scheiden sich an diesem Lebensmodell in Ost und West die Geister.

"Im Osten heißt es heute immer noch oft: Ist doch nicht so schlimm, ein Kind allein großzuziehen. Und im Westen hören junge Frauen: Heirate bloß, damit du nicht allein dastehst", sagte Klaus Pötzsch von der Pressestelle des Statistischen Bundesamtes gegenüber der taz. Am Donnerstag legt das Amt in Wiesbaden Ergebnisse des Mikrozensus 2009 vor, der sich explizit mit den sogenannten Einelternfamilien befasst.

Die Einstellung zu Ehe oder trauscheinlosem Zusammenleben werde laut Pötzsch von der Müttergeneration vererbt. In der DDR sei es kein Problem gewesen, Kinder zu haben, aber keinen Partner. In den alten Bundesländern habe der Traditionalismus der Kirche nach wie vor einen erheblichen Einfluss.

Hinzu komme, sagt Pötzsch, dass die Mütter im Osten allgemein jünger waren und sind als die Mütter im Westen. Ostfrauen waren und sind auch häufiger ledig. Auch das ist ein Erbe der DDR: Nahezu alle Frauen im untergegangenen Land verdienten ihren Lebensunterhalt selbst, einen Mann als (Familien-)Ernährer brauchten sie nicht.

Der Trend der Ehemuffeligkeit im Osten hält heute an: Kürzlich gab das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung bekannt, dass 58 Prozent der Kinder im Osten außerhalb der Ehe geboren werden. Im Westen sind es 26 Prozent.

Aber auch das brachte der Mikrozensus zum Vorschein: Alleinerziehenden geht es durchschnittlich schlechter als Familien, sowohl finanziell als auch seelisch. Das ist zwar allgemein bekannt, wird aber jetzt durch die aktuellen Zahlen umfassend bestätigt.

In Deutschland gibt es 1,6 Millionen Alleinerziehende: Etwa ein Fünftel aller Kinder wächst also nur bei der Mutter oder nur beim Vater auf. Vor gut zehn Jahren waren es noch unter 15 Prozent. Ein Zehntel der Alleinerziehenden sind heute Männer, ergab die Erhebung. Wie allerdings eine Untersuchung des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter zeigt, steigt die Zahl alleinerziehender Mütter stetig, während die der Väter, die ihre Kinder allein großziehen, konstant bleibt oder sinkt.

Väter geraten laut Mikrozensus fast immer durch eine Scheidung in die Rolle des Alleinkümmerers. Auch Frauen werden häufig geschieden, aber viele sind schon bei Beginn ihrer Mutterschaft ohne Partner. Das erklärt, warum bei alleinerziehenden Frauen in der Regel kleinere Kinder leben und bei alleinerziehenden Männern eher ältere. Die Väter nehmen die Kinder nach einer Scheidung mit. Oder die Kinder wechseln, wenn sie größer sind, von der Mutter zum Vater.

Die Mehrheit der Alleinerziehenden ist berufstätig. 60 Prozent von ihnen gehen einer Erwerbstätigkeit nach, vielfach arbeiten sie Vollzeit. Etwa ein Drittel bezieht Transferleistungen. Trotz Berufstätigkeit leben viele Alleinerziehende häufig an der Armutsgrenze, nicht wenige müssen mit einem Monatseinkommen von durchschnittlich 1.100 Euro und weniger auskommen. Die Ursache dafür sind niedrige Einkommen und der Einverdienerhaushalt der Alleinerziehenden.

Ihr Leben führt auch zu mehr Stress und einer hohen psychischen Belastung. Während Paare sich Aufgaben teilen können, müssen Alleinerziehende mehrere Aufgaben und Rollen gleichzeitig erfüllen. Pötzsch sagt: "Alleinerziehende fühlen sich deswegen vielfach überlastet und alleingelassen."

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