Vorwürfe nach Suizid eines Asylbewerbers: Von Behörden in den Tod getrieben?

Ein Güterzug hat einen nepalesischen Asylbewerber am Gifhorner Bahnhof überrollt. Jetzt erhebt seine Anwältin Vorwürfe gegen die Ausländerbehörde.

"Ich kann euch nicht wiedersehen": Shambhu Lamas legte seinen Kopf auf die Schienen, als ein Güterzug kam. Bild: dapd

BREMEN taz | Shambhu Lama wurde nicht alt. Er war gerade 40 Jahre, als er kürzlich in Gifhorn von einem Güterzug überrollt wurde. Vor den hatte sich der abgelehnte Asylbewerber aus Nepal gelegt, nachdem ihm die Ausländerbehörde ankündigt hatte, ihn abzuschieben - obwohl er ein zehnmonatiges deutsches Kind hatte und Umgang mit ihm pflegte. "Die Behörden haben ihn in den Tod getrieben", sagt Nadine Tannenberg, die Mutter seines Sohnes.

Lamas Anwältin Daniela Öndül hat jetzt eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen zwei Sachbearbeiter der Gifhorner Ausländerbehörde eingereicht: Die hätten Lamas Vaterschaft trotz ausreichender Nachweise ignoriert und seine Abschiebung vorbereitet, obwohl das Verwaltungsgericht Braunschweig sie aufgefordert hatte, dies zu unterlassen. "Noch am Tag seines Todes und wider besseres Wissen" sei Lama prophezeit worden, sein Antrag vor Gericht werde keinen Erfolg haben. Stattdessen werde man ihn abschieben. Diese Ankündigung habe ihn "in eine psychisch so aussichtslose Lage gebracht, dass er sich schließlich das Leben nahm", so Öndül.

Der Landkreis Gifhorn schweigt zu der Angelegenheit: Kurz nach dem Tod hatte Landrätin Marion Lau (SPD) verbreiten lassen, die Gründe für Lamas Suizid seien "im persönlichen Umfeld zu suchen".

Seit 1996 lebte Lama in Deutschland, fast die ganze Zeit als "Geduldeter", untergebracht in Sammelunterkünften, versorgt mit Gutscheinen im Wert von zuletzt monatlich184 Euro.

"Der liebe Gott hat es so gewollt"

Im August 2009 lernte er die damals 28-jährige Nadine Tannenberg kennen. "Wir haben uns gleich gut verstanden", sagt sie. Die beiden begannen eine Beziehung, kurz darauf wurde sie schwanger. Nach der Trennung waren sie sich einig, dass Lama Umgang mit seinem Sohn haben sollte. Im Mai 2010 wurde Joshua Chris geboren. Tannenberg lebte damals in Königslutter, Lama im Flüchtlingswohnheim Meinersen, 45 Kilometer entfernt.

Zwei Landkreisgrenzen liegen dazwischen. Lama durfte sie wegen der Residenzpflicht für Asylbewerber nicht ohne Erlaubnis überschreiten. "Die Ausländerbehörde hat ihm immer große Schwierigkeiten gemacht, wenn er eine Besuchserlaubnis beantragt hat", sagt Tannenberg. Sie hatte schon, als sie schwanger war, der Ausländerbehörde und später dem Jugendamt mitgeteilt, dass Lama der Vater ihres Kindes war. Obwohl er die Vaterschaft offiziell anerkannte, zweifelte die Ausländerbehörde und weigerte sich, ihm ein Aufenthaltsrecht zu geben. Am 24. Februar stellte Lama deshalb einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht.

Vier Tage später besuchte er Tannenberg und seinen Sohn ein letztes Mal. "Wir waren Kaffee trinken, er hat mit seinen Gutscheinen Windeln gekauft", sagt sie. Am nächsten Morgen ging er zur Ausländerbehörde und erfuhr: Zwei Tage später wollte man ihn abschieben. "Er hat angerufen und gefragt, ob es etwas Neues vom Gericht gibt", sagt Anwältin Öndül. Es gab nichts Neues. Um 14.14 Uhr bekam Tannenberg eine letzte SMS: "Der liebe Gott hat es so gewollt. Ich kann Euch nicht wiedersehen, aber bis zum letzten Atemzug wünsche ich Euch alles Gute." Um 15.40 Uhr sahen zwei Schülerinnen auf dem Gifhorner Bahnhof, wie Lama vom Gleis herabstieg und seinen Kopf auf die Schienen legte, als ein Güterzug kam.

Am Dienstag wurde er in Hildesheim eingeäschert. Nächste Woche sollen seine Überreste nach Kathmandu überführt werden.

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