„Die Staatsleistungen sind geltendes Recht“

EVANGELISCHE KIRCHE EKD-Vertreter David Gill verteidigt die Überweisungen seitens des Staates. Man könne darüber reden, dass der Staat sich zurückziehe – aber nicht ohne Gegenleistung. Ein Ausstieg werde teuer

■ 45 Jahre alt und Jurist, ist Stellvertreter des Bevollmächtigten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Er fungiert als eine Art Botschafter des EKD-Rates in Berlin.

taz: Herr Gill, ist es gerechtfertigt, dass die beiden Volkskirchen über 460 Millionen Euro pro Jahr vom Staat erhalten, weil sie vor mehr als 200 Jahren enteignet worden sind?

David Gill: Die Staatsleistungen, die Sie damit ansprechen, sind geltendes Recht, und Verträge gelten auch dann, wenn sie vor langer Zeit vereinbart wurden, so wie es hier der Fall ist. In den Staatsleistungen setzt sich der Gedanke fort: Für den Teil der Finanzierungsgrundlage, der den Kirchen durch den Staat entzogen wurde, soll deren Arbeit finanziell unterstützt werden.

Das tut der Staat aber doch schon in anderer Hinsicht, etwa wenn er kirchliche Krankenhäuser mit Millionensummen unterstützt – warum dann noch die Staatsleistungen?

Bitte die Refinanzierungen der Sozialleistungen von Caritas und Diakonie nicht mit den Staatsleistungen verwechseln! Der Grund für diese ist das Subsidiaritätsprinzip: Wie bei anderen Akteuren im sozialen Bereich auch, etwa der Arbeiterwohlfahrt oder Trägern von Kitas, zahlt der Staat beziehungsweise die Sozialversicherungen den Kirchen, damit sie das tun können, was eigentlich Aufgabe des Staates wäre. Diese Zahlungen sind keine Wohltat des Staates.

Wie könnten die Staatsleistungen beendet werden: durch eine Einmalzahlung des Staates an die Kirchen?

Wir können uns ein Ende der Staatsleistungen durch eine ordnungsgemäße Ablösung vorstellen. Nun ist der Auftrag der Verfassung, die Staatsleistungen zu beenden, aber zuerst ein Auftrag an den Gesetzgeber. Er muss sehen, wie er diese Aufgabe im Einvernehmen mit den Kirchen erfüllt. Darüber muss man diskutieren. Es ist aber ein seltsamer Ansatz, den die Humanistische Union verfolgt, dass der Staat nichts mehr zahlen müsse, weil er so viel schon gezahlt habe. Wenn ich über viele Jahre Miete gezahlt habe, macht mich das nach dieser Zeit noch lange nicht zum Eigentümer der Wohnung. Es könnte zum Beispiel ein Kapitalstock aufgebaut werden, der auf die Dauer die Leistungen des Staates ersetzt.

Wie sähe das konkret aus?

In Hessen ist zum Beispiel seit den 90er Jahren so eine Lösung für die Kirchenbauleistungen eingerichtet worden – dadurch sind Land und Kommunen nun nicht mehr zur Unterstützung der Kirchenbaulasten verpflichtet. Einer ähnlichen Lösung wollen wir uns nicht verschließen. Das erfordert aber beträchtliche Finanzmittel vonseiten des Staates. Und manchem Land sind vielleicht regelmäßige Zahlungen lieber als der große Wurf.

INTERVIEW: PHILIPP GESSLER