Regierung gründet Nazi-Wacht am Rhein

RECHTSTERROR Als Reaktion auf Neonazimorde starten 40 Sicherheitsbehörden ein „Abwehrzentrum“

„Wir wollen einen permanenten Verfolgungsdruck ausüben“

BKA-CHEF JÖRG ZIERCKE

BERLIN taz | „Stau auf der A555“: Diese Meldung könnte bald öfter im Radio kommen. Denn das am Freitag als Reaktion auf die Morde der Neonazi-Zelle NSU gestartete „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“ (GAR) hat zwei Standorte. In der einen Woche arbeiten Vertreter von rund 40 Sicherheitsbehörden beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln, in der Woche darauf sitzen sie in der Zweigstelle des Bundeskriminalamts (BKA) im knapp 50 Kilometer entfernten Meckenheim.

Ziel des Abwehrzentrums sei es, „einen permanenten Fahndungs- und Verfolgungsdruck auf die rechtsextreme Szene auszuüben“, sagte BKA-Chef Jörg Ziercke in Berlin. Vor allem den militanten Rechtsextremismus müsse man „sehr viel genauer ins Visier nehmen als in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten“, ergänzte Verfassungsschutzchef Heinz Fromm. Die beiden Behörden werden je 50 Leute für das Zentrum abstellen, dazu kommen Vertreter der Kriminalämter und Verfassungsschutzbehörden aller Länder sowie des Militärgeheimdiensts MAD, des BND und der Bundesanwaltschaft – insgesamt 140 Beamte, die vom Rhein aus die Neonaziszene überwachen sollen.

Vorbild ist das vor sieben Jahren in Berlin-Treptow als Reaktion auf islamistische Anschläge eingerichtete Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ). Dort sitzen Vertreter von 40 Behörden und konferieren über konkrete Bedrohungen und „Gefährder“, denen man politisch motivierte Taten zutraut. Auch beim Rechtsextremismus brauche man nun einen Gesamtüberblick über die Gefährder und ihr Umfeld und einen ständigen Austausch über relevante Ereignisse zwischen den Polizeien und Geheimdiensten, sagte BKA-Chef Ziercke.

Doch das Abwehrzentrum ist nicht die einzige Einrichtung, bei der die Regierung sich nun an den Erfahrungen im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus orientiert. Wie am Freitag bekannt wurde, haben das BKA und der Verfassungsschutz schon zum 1. Dezember eine „Koordinierte Internetauswertung Rechtsextremismus“ eingerichtet und wollen das Netz „systematisch und kontinuierlich“ nach extremistischen und terroristischen Inhalten durchsuchen. Man werde auch darauf achten müssen, ob es Personen gibt, die sich von den Taten der Neonazi-Terrorzelle animiert fühlen könnten, sagte Fromm. Bei solch spektakulären Taten gebe es immer die Gefahr von Nachahmern. WOLF SCHMIDT