Ziviler Ungehorsam kann in Sachsen sehr teuer werden

BLOCKADE 300 Euro Bußgeld – Dresdner Landgericht verurteilt ersten Blockierer der Anti-rechts-Demo

DRESDEN taz | Das „doppelte“ Bußgeld muss der 22-jährige Daniel H. aus Dresden zahlen, weil er sich im Februar an einer Sitzblockade beteiligte. Das Amtsgericht Dresden verurteilte ihn am Donnerstag zu einer Geldstrafe von 300 Euro. Der Richter ging davon aus, dass sich der Beschuldigte vorsätzlich an einer Blockade des Nazi-Aufmarschs in der Nähe des Hauptbahnhofs beteiligt und somit gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hat.

Die Polizei hatte ihn und andere DemonstrantInnen am Nachmittag des 19. Februar 2011 auf einer Kreuzung in der Nähe des Hauptbahnhofs eingekesselt und die Personalien aufgenommen. Gegen einen Strafbefehl über 150 Euro hatte er Widerspruch eingelegt, daraufhin wurde öffentlich Anklage erhoben.

Die Dresdner Ermittlungsbehörden leiteten im Zusammenhang mit den Protesten im Februar rund 200 Ermittlungsverfahren ein. Ein Großteil wurde gegen ein Bußgeld eingestellt. Der sächsische Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi (Bündnis 90/Die Grünen) geht auf Basis von Informationen des Landtags davon aus, dass noch etwa vierzig bis fünfzig Strafbefehle offen sind. Lichdi selbst hat ebenfalls gegen einen Bußgeldbescheid wegen seiner angeblichen Beteiligung an der besagten Blockade Widerspruch eingelegt.

Die Verteidigung argumentierte während des Verfahrens, dass es für Personen in diesem Bereich nicht ersichtlich war, dass sie sich auf der Aufmarsch-Route der Nazis befanden, da diese erst sehr spät am 19. Februar bekannt gegeben wurde. Die Verwirrung ist auch deshalb naheliegend, weil die Landtagsabgeordnete Katja Kipping (Die Linke) auf der Kreuzung bis nachmittags eine Kundgebung angemeldet hatte. Die geladenen Polizisten gaben zudem an, die GegendemonstrantInnen hätten sich friedlich verhalten.

Die Staatsanwaltschaft wollte es am Ende des Verfahrens bei einer Verwarnung belassen. Gerade deshalb ist die Anwältin Kristin Pietrzyk über das harte Urteil des Amtsgerichts überrascht. Die Staatsanwaltschaft habe im Bereich ihrer Möglichkeiten eine gute Vorlage geliefert, das „Anliegen des Protests nicht zu kriminalisieren“. Der vorsitzende Richter begründete sein Urteil hingegen damit, dass das Grundgesetz insbesondere den Schutz von Minderheiten, in diesem Fall den Schutz des Versammlungsrechts der Nazis, vorsieht.

Die Ermittlungen gegen die Beteiligten der Blockadeaktion sind umstritten. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages gibt zu bedenken, dass die Verfahren möglicherweise rechtswidrig sind.

Für Innenminister Markus Ulbig (CDU) steht jedoch fest: Blockaden sind ein Rechtsbruch. „Mit dieser Aktion zeigen die Leute von dresden nazifrei ihr wahres Gesicht. Das sind keine friedlichen Demonstranten. Sie wollen Gewalt“, polemisierte Ulbig in einem Interview mit der Bild-Zeitung anlässlich eines Blockadetrainings für den kommenden Februar. JENNIFER STANGE