Der Wohnort bestimmt über Konsum von Antibiotika mit

MEDIZIN Kinder aus dem Norden bekommen doppelt so häufig Antibiotika wie im Süden, so eine Studie

Kinderärzte verordnen die Medikamente zögerlicher als Hausärzte

GÜTERSLOH epd/taz | Kinder in Deutschland erhalten einer Studie zufolge deutlich häufiger Antibiotika als Erwachsene. Bundesweit werde jedem zweiten Kind zwischen drei und sechs Jahren mindestens ein Antibiotikum pro Jahr vom Arzt verschrieben, bei Erwachsenen sei es jeder dritte, heißt es in dem am Mittwoch in Gütersloh veröffentlichten zweiten „Faktencheck Gesundheit“ der Bertelsmann Stiftung. Bei Kindern im Alter zwischen null und zwei Jahren lag der Wert bei 45 Prozent. Besonders häufig würden Kindern Antibiotika bei akuter Mittelohrentzündung, fiebriger Erkältung und Grippe verabreicht.

Grundlage der repräsentativen Untersuchung der Universität Bremen sind den Angaben nach Versichertendaten der Barmer GEK aus dem Jahr 2010. Die Studie zeigt ein deutliches Gefälle zwischen dem Nordosten Deutschlands und Süddeutschland. In einigen Landkreisen im Osten Mecklenburg-Vorpommerns erhielt demnach die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren mindestens einmal ein Antibiotikum vom Arzt verordnet. Das seien doppelt so viele wie beispielweise in Landkreisen im südlichen Bayern, sagte Stiftungsexperte Stefan Etgeton.

Auch bei den verschiedenen Facharztgruppen gebe es Unterschiede in der Verordnungspraxis. Bei nicht eitrigen Mittelohrentzündungen, bei denen Antibiotika laut Leitlinien nur in Ausnahmefällen empfohlen wird, verordneten laut Studie 33 Prozent der Hausärzte Antibiotika, aber nur 17 Prozent der Kinderärzte und 9 Prozent der HNO-Ärzte. Bei einer Lungenentzündung, wo die Verordnung von Antibiotika angezeigt sei, seien es 80 Prozent der Kinderärzte und 66 Prozent der Hausärzte gewesen. Hier wäre eine übergreifende Leitlinie zum Antibiotika-Einsatz sinnvoll. Der Verband der Kinder- und Jugendärzte wertete diesen Befund als „Beleg für die hohe Fachkompetenz der Kinder- und Jugendärzte“. Diese seien auch deswegen zögerlicher beim Einsatz von Antibiotika, weil sie die Beschwerden von Kindern besser einordnen könnten und diese häufig von Geburt an kennen würden.

Die häufige Vergabe von Antibiotika sei für Kinder nicht immer sinnvoll und notwendig, erklärte Gesundheitsökonom Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen. Da es sich etwa bei Atemwegsinfektionen meistens um Virusinfekte handele, würden Antibiotika vielfach gar nicht helfen, da sie nur gegen bakterielle Keime wirkten.