So viele befristete Jobs wie nie

ARBEIT Arbeitgeber setzen Befristungen als „Disziplinierungsmittel“ ein, kritisieren Gewerkschafter. 2,7 Millionen Beschäftigte sind betroffen

NÜRNBERG/BERLIN afp/taz | Fast jede zweite Neueinstellung in Deutschland ist inzwischen befristet. In den vergangenen zehn Jahren habe sich die Zahl befristeter Verträge bei Neueinstellungen von 32 auf 45 Prozent erhöht, teilte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) am Donnerstag mit.

Im Jahr 2011 seien 2,7 Millionen Arbeitnehmer in befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt gewesen. Das entspreche 7,6 Prozent aller Beschäftigten und bedeute einen neuen Höhepunkt. Flexible Arbeitsverhältnisse würden genutzt, um die Risiken einseitig auf die Arbeitnehmer abzuwälzen, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, der Hannoverschen Allgemeine Zeitung. „Der Zweck, über die Befristung kurzfristig Spitzen im Arbeitsaufkommen abzufedern oder zeitlich begrenzt Personal zu ersetzen, gerät zunehmend in den Hintergrund.“

Arbeitgeber setzten die Befristung als „Disziplinierungsmittel für Beschäftigte“ ein, sagte Ver.di-Sprecher Christoph Schmitz. Die Möglichkeit, Verträge auf maximal zwei Jahre „ohne Sachgrund“ zu befristen, müsse gestrichen werden. Nach Angaben des IAB variiert der Befristungsanteil an Neueinstellung stark nach Branche. Während im Wirtschaftszweig Information und Kommunikation nur 15 Prozent der Neueinstellungen befristet seien, erreiche dieser Wert in der öffentlichen Verwaltung 68 Prozent. Frauen seien dabei stärker als Männer betroffen, da sie vorwiegend in Branchen arbeiten, in denen Befristungen besonders üblich sind. Erst Ende Januar hatte der Europäische Gerichtshof befristete Kettenarbeitsverträge auch über viele Jahre hinweg grundsätzlich erlaubt. Voraussetzung sei aber ein „sachlicher Grund“ wie etwa ein ständiger Vertretungsbedarf. HG