Schlappe für Wowereit

LANDESPARTEITAG Die Berliner SPD stürzt ihren langjährigen Vorsitzenden und engsten Wowereit-Vertrauten Michael Müller. Neuer Parteichef wird der exponierte Linke Jan Stöß

AUS BERLIN STEFAN ALBERTI

Dreimal hat er für sie eine Landtagswahl gewonnen, mit drei verschiedenen Koalitionspartnern hat er regiert. Am Wochenende aber hat die Berliner SPD ihrem Aushängeschild und Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit gezeigt, dass für die Partei nicht allein wichtig ist, was hinten rauskommt. Sondern dass sie mitreden will: Bei einem Landesparteitag kippte eine Mehrheit von 123 zu 101 Delegierten den langjährigen SPD-Landeschef und engsten Wowereit-Helfer Michael Müller. Neuer Vorsitzender ist der Parteilinke Jan Stöß, ein Kritiker von Wowereits Regierungskurs.

Ausschlaggebend für den Wahlausgang dürfte der flügelübergreifende Unmut gewesen sein, als Partei im System Wowereit keine Rolle zu spielen. Müller, so die Kritik, höre zu wenig in den Berliner Landesverband hinein, den er seit 2004 führte. In der Landesregierung, in der Müller als Stadtentwicklungssenator das zentrale Ressort führt, verschaffe er der Partei kaum Profil. Stöß hatte mit dem Argument für sich geworben, durch die Trennung von Partei- und Regierungsamt unabhängiger für SPD-Positionen eintreten zu können. Das gilt für ihn vor allem für den Bundestagswahlkampf 2013, wo Stöß ein rot-grünes Bündnis favorisiert.

Auch im Land Berlin hatte die SPD nach der Landtagswahl 2011 mehrheitlich auf Rot-Grün gesetzt. Koalitionsgespräche platzten jedoch. Nicht wenige schrieben es Wowereit zu, die Partei aus Machtgründen – Rot-Grün hätte nur eine knappe Mehrheit gehabt – in eine Koalition mit der Union geführt zu haben.

Nach seiner Wahl machte Stöß vor Journalisten deutlich, dass er die rot-schwarze Koalition fortführen will: Er habe keinen Zweifel daran, dass die Zusammenarbeit weiter funktioniere. Bleibende Risse in der SPD befürchtete Stöß nicht – er sei sehr zuversichtlich, dass die Reihen nun schnell geschlossen würden. „Das Bild der Zerstrittenheit ist ein Zerrbild“, sagte er.

Die koalierende CDU gratulierte Stöß per Pressemitteilung – und dankte sodann ausführlich seinem Vorgänger Müller: Der habe „einen erheblichen Beitrag zum fairen und konstruktiven Klima innerhalb der Koalition geleistet“.

Wowereit selbst verwahrte sich gegen Einschätzungen, eine „Wowereit-Dämmerung“ habe eingesetzt. „Das habe ich schon oft gelesen“, sagte er. In seiner Parteitagsrede hatte Wowereit zwar für Müller geworben, mochte mit dessen Abschneiden aber nicht sein eigenes politisches Schicksal verbinden. Stattdessen machte er deutlich, dass er auch Stöß als Parteichef akzeptieren würde: „Wer mich kennt, der weiß, dass ich da relativ flexibel bin.“ Im Vorfeld hatte Wowereit Stöß’ Kandidatur als „Profilierungsversuch“ abgetan.

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