Europarats-Gruppe für Drogenkranke: Deutschland schleicht sich heimlich

Vergangenes Jahr hat Deutschland eine Europarats-Gruppe zur Drogenbekämpfung verlassen. Der Bundestag wurde erst 2012 informiert – aus Versehen, sagt die Regierung.

„Schlechtes Gewissen“: Die Bundesregierung verschwieg ihren Austritt aus der renommierten Drogenhilfe-Gruppe. Bild: dpa

BERLIN taz | Spät fiel auf, dass Deutschland aus einer Runde des Europarats für Drogenbekämpfung ausgetreten ist. Erst mehr als ein Jahr danach, im Juni dieses Jahres, informierte die Bundesregierung das Parlament über ihren Rückzug aus der traditionsreichen Pompidou-Gruppe. Deutschland war 1971 Gründungsmitglied der Initiative gewesen, die heute 37 Mitgliedstaaten innerhalb und außerhalb der Europäischen Union hat und sich vor allem für die Rechte von Drogenabhängigen einsetzt.

Ein Satz im „Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats“ wies auf Deutschlands Austritt hin. Im aktuellen Drogen- und Suchtbericht steht dagegen nichts. Das sei „versehentlich unterblieben“, heißt es in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen, die der taz vorliegt.

Aus dieser Informationspolitik der Bundesregierung spreche ihr schlechtes Gewissen, sagt Dirk Schäffer von der Deutschen Aids-Hilfe. Die Pompidou-Gruppe sei renommiert und setze sich besonders für Menschenrechte von Drogenabhängigen in Gefängnissen ein. Ihre Leitlinien – etwa zur Prävention von HIV-Infektionen durch die Ausgabe von sauberen Spritzen für Heroinabhängige oder zur Suchthilfe für Häftlinge – habe Deutschland seit Jahren nicht flächendeckend umgesetzt.

Von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) heißt es, dieser Aspekt habe für die Entscheidung „keine Rolle gespielt“. Vielmehr sei das Verlassen der Gruppe ein zeitgemäßer Schritt gewesen, um „Doppelarbeit zu vermeiden“. Denn seit den 70er Jahren sind eine Reihe von neuen Institutionen entstanden, die sich mit länderübergreifender Drogenpolitik beschäftigen. Man wolle sich personell und finanziell nun auf neue Gremien konzentrieren und habe deshalb die Gruppe verlassen.

Der drogenpolitische Sprecher der Grünen, Harald Terpe, kann das nicht nachvollziehen: Die schwarz-gelbe Regierung könne „auf EU- und UN-Ebene keine Organisation benennen, die ein vergleichbares Profil in der Drogenpolitik wie die Pompidou-Gruppe hat“. Das sagt auch der Vorsitzende des Bundesverbands für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, Heino Stöver. Für die Verbreitung von humanitären Standards, auch in Länder, die nicht zur EU gehören, sei die Gruppe unverzichtbar.

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