Rechtsruck vollzogen

BURSCHENSCHAFTEN In Stuttgart setzen sich beim Sonderburschentag die rechten Vereine durch. Ein „Arier“-Antrag wird aber nicht verhandelt. Austritte werden befürchtet

VON NADINE MICHEL
UND ANDREAS SPEIT

STUTTGART/HAMBURG taz | Hinter verschlossen Türen fielen auf dem Sonderburschentag in Stuttgart die Entscheidungen. Der erwartete Rechtsruck des Dachverbandes „Deutsche Burschenschaft“ (DB) wurde vollzogen. „Ich hatte diese Entwicklung befürchtet, die liberalen Bünde konnten sich nicht durchsetzen“, sagt Christian Becker von der Initiative „Burschenschaftler gegen Neonazis“.

Dass der sogenannte Arier-Antrag nicht behandelt wurde, ändert nichts an dem neuen Kurs. Die als ultrakonservativ geltende Wiener akademische Burschenschaft Teutonia hat für das kommende Jahr den DB-Vorsitz übernommen. Der Sonderburschentag war wegen des seit über eineinhalb Jahren anhaltenden Streits über die Abstammungsbedingungen für Mitgliedschaften und den Positionsgrenzen zum Nationalsozialismus nötig geworden.

Bereits vor der Tagung sickerte durch, dass sich die konservativen Bünde nicht gegen die rechten Verbindungen durchsetzen können. Die Presse war auf dem Treffen unerwünscht.

Unter den etwa 500 angereisten Burschenschaftlern der über 100 DB-Verbindungen fanden sie kaum Mehrheiten. Mehrere Ausschlussanträge gegen die rechtslastigen Verbindungen „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“, „Münchener Burschenschaft Danubia“ und der „Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen“ scheiterten. Die Anträge wurden erst gar nicht zur Abstimmung zugelassen.

Bei den „Liberalen“, wie sich die nicht extrem rechten Bünde selbst bezeichnen, soll sich rasch Resignation breit gemacht haben. Die Absetzung des Schriftführers der Burschenschaftlichen Blätter, Norbert Weidner, konnte ihre Enttäuschung nicht mildern. „Ein Bauernopfer“, sagt Becker, um die „liberalen Bünde“ von einem Austritt abzuhalten.

Auf dem regulären Burschentag 2012 in Eisenach war Norbert Weidner, der wegen eines Leserbriefs in der Mitgliederzeitung der Raczeks in die Kritik geraten war, im Amt noch bestätigt worden. Im Herbst 2011 hatte Weidner, der selbst den Raczeks angehört, dort den NS-Widerstandskämpfer und Theologen Dietrich Bonhoeffer als „Landesverräter“ bezeichnet. Er versuchte darzulegen, dass dessen Hinrichtung durch die Nazis „rein juristisch“ gerechtfertigt gewesen sei.

Als neuer Schriftleiter wurde Michael Paulwitz von der „Heidelberger Burschenschaft Normannia“ benannt. Das gab DB-Pressereferent Walter Tributsch bekannt.

Seit 2001 schreibt ein Autor namens Michael Paulwitz für die rechtslastige Junge Freiheit. Die Kritik an Weidner bezeichnete er als eine „Pseudo-Affäre“. So behauptete er, „linke und linksliberale Medien“ würden „die Diffamierungstrommel“ rühren.

Bereits am Samstagnachmittag ging der am Freitag begonnene Sonderparteitag zu Ende. Für Sprecher Tributsch ist das ein Beweis, dass „entgegen aller Unkenrufe“ die DB Lösungen in „schwierigen Situationen“ finden könne und eine Spaltung ausblieb. Er selbst gehört der Teutonia an, die nun den Vorsitz der DB bildet.