Grundrechtereport vorgestellt: Schulbesuch ohne Angst

Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin stellt den neuen Grundrechtereport vor. Deutschland hat Nachholbedarf: Illegale sollen ohne Angst zur Schule gehen können.

Soziale Rechte gefordert: Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin stellte den Grundrechtereport vor. Bild: dpa

KARLSRUHE taz | „Wir müssen die sozialen Rechte der Menschen mehr ins öffentliche Bewusstsein heben“, forderte Herta Däubler-Gmelin am Montag in Karlsruhe. Die ehemalige SPD-Justizministerin stellte den Grundrechtereport vor, der von acht Bürgerrechtsorganisationen jährlich als Taschenbuch veröffentlicht wird.

Das Grundgesetz beschreibt Deutschland zwar als Sozialstaat, kennt aber keine einklagbaren sozialen Grundrechte, wie etwa ein Recht auf Arbeit oder Wohnung. Die im internationalen Vergleich fortschrittlichen Sozialgesetze wurden politisch, nicht juristisch durchgesetzt.

Däubler-Gmelin erinnerte nun aber daran, dass auch in Deutschland der UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit Gesetzeskraft gilt. Gemessen an diesem 1966 geschlossenen Vertrag habe Deutschland durchaus noch Nachholbedarf. So sollten illegale Flüchtlinge Zugang zu Bildung und ärztlicher Versorgung bekommen, „ohne Angst haben zu müssen, an die Ausländerbehörden gemeldet zu werden“.

Auch Kinder aus bildungsfernen Familien könnten aus dem UN-Pakt einen Anspruch auf individuelle schulische Förderung ableiten, so Däubler-Gmelin. Hilfreich wäre es, so Däubler-Gmelin, wenn es in Deutschland ein Recht gebe, sich direkt beim zuständigen UN-Ausschuss zu beschweren. Die Bundesrepublik solle endlich ein entsprechendes Zusatzprotokoll unterzeichnen.

Zunehmende Ökonomisierung des Lebens

Auch der Bremer Menschenrechtsexperte Heiner Fechner setzte sich dafür ein. Deutsche Gerichte würden den Sozialpakt eher beachten, wenn sie sonst mit internationaler Kritik rechnen müssten, glaubt Fechner.

Als drastisches Beispiel für die zunehmende Ökonomisierung des Lebens schilderte der Grundrechtereport einen Fall aus Niedersachsen. Eine 87-jährige Frau war mit Herzbeschwerden und Atemnot ins Krankenhaus eingewiesen worden, doch nach fünf Tagen starb sie. Die Kasse weigerte sich, die Behandlungskosten zu zahlen, die Frau hätte „zum Sterben“ in ein Hospiz gebracht werden sollen, nicht in ein Krankenhaus. Das Sozialgericht Hannover lehnte die Argumentation der Kasse mit Empörung ab.

Im Leitbeitrag forderte Ex-Verfassungsrichter Winfried Hassemer, den Datenschutz als „Verbraucherschutz“ neu zu denken. Der Staat setze das Vertrauen der Bürger aufs Spiel, wenn er den Schutz der Daten in der Wirtschaft oder in sozialen Netzwerken nicht garantieren könne.

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