Viel Zuspruch, kein Geld

VIELFALT Kleine Kultureinrichtungen werden trotz steigender Nachfrage weniger gefördert, Mitarbeiter schlecht entlohnt. Das geht aus dem statistischen Bericht „Soziokulturelle Zentren in Zahlen“ hervor

Fast 71 Prozent der Einrichtungen klagen über finanzielle Schwierigkeiten

BERLIN taz | Der Verein Miteinander Leben in Mölln ist so ein Beispiel. Der Verein, der sich als Reaktion auf die rassistischen Brandanschläge auf zwei türkische Wohnhäuser in Mölln im Jahre 1992 gegründet hat und sich unter anderem mit Jugendtheaterprojekten gegen Rechtsextremismus engagiert, kämpft jedes Jahr erneut um finanzielle Sicherheit – alle MitarbeiterInnen engagieren sich ehrenamtlich.

Das, was sich beim Verein Miteinander Leben im Kleinen spiegelt, ist Teil eines deutschlandweiten Trends. Das geht aus dem Bericht „Soziokulturelle Zentren in Zahlen“ hervor, der am Donnerstag in Berlin von der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren vorgestellt wurde und alle zwei Jahre neu erscheint.

Unter den Begriff „Soziokultur“ fällt so einiges: alternative Kulturangebote im städtischen und ländlichen Raum, Bürgerinitiativen, Theaterprojekte, Bildungsarbeit, Workshops. Der Anspruch: eine niedrige Mitmachschwelle, ein vielfältiges Angebot, das sich auch an sogenannte bildungsferne Schichten richtet.

Laut der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren engagieren sich 24.000 Akteure in diesem Feld, bundesweite besuchen 9,5 Millionen Menschen fast 90.000 solcher Kulturveranstaltungen – Tendenz steigend. Diese Entwicklung spiegelt sich aber nicht in der Förderpolitik wider. Im Gegenteil: Trotz der gestiegenen Nachfrage ist die Beschäftigungsquote der Verbandsmitglieder gesunken. Knapp 60 Prozent arbeiten ehrenamtlich, nur 8,8 Prozent sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Für Ellen Ahbe, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren, ist diese Entwicklung besorgniserregend. „Soziokulturelle Arbeit muss durch eine stabile Grundförderung der Einrichtungen endlich anerkannt werden“, fordert sie. Keine andere Kultursparte erwirtschafte einen so hohen Anteil ihrer Mittel selbst.

Im Zeitraum 2011/2012 kamen weniger als ein Drittel der Einnahmen aus institutioneller Förderung, 4 Prozent weniger als zwei Jahre zuvor. Kein Wunder also, dass 71 Prozent der Einrichtungen angeben, finanzielle Schwierigkeiten zu haben. Die Folge: Einsparungen im Personalbereich, niedrigere Gagen für die KünstlerInnen und Einbußen im Angebotsspektrum. „Dabei ermöglichen die Akteure mit ihren Angeboten kulturelle Teilhabe und setzen sich für Bildungsgerechtigkeit ein“, sagt Ahbe. So werden auch rund 73 Prozent der Bildungs- und Beratungsangebote von MigrantInnen in Anspruch genommen.

Für den Bericht wurden 261 von 495 Mitgliedseinrichtungen zu den Jahren 2011 und 2012 befragt. JASMIN KALARICKAL