Bautzen hat eine neue Selbständige

RÜCKZUG Nach der Absage an eine Koalition mit der CDU gibt Sachsens Spitzengrüne Hermenau auf

DRESDEN taz | Eigentlich sollte der Parteitag der sächsischen Bündnisgrünen am Sonnabend in Leipzig nur die Absage an Koalitionsverhandlungen mit der CDU bestätigen. So hatte es der Parteirat nach Abschluss der Sondierungen empfohlen. Doch dann düpierte die bisherige Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin Antje Hermenau zum zweiten Mal seit den Landtagswahlen vom 31.August ihre Parteifreunde. Nach dem Rückzug vom Fraktionsvorsitz wird sie auch ihr Landtagsmandat nicht annehmen, sich aus der aktiven Politik zurückziehen, aber Parteimitglied bleiben. Damit verlieren die Grünen ihr bekanntestes Gesicht in Sachsen.

Die 100 Delegierten aber auch die Parteisprecher Claudia Maicher und Volkmar Zschocke wurden von der Entscheidung völlig überrascht. Man hatte zwar erwartet, dass Antje Hermenau die Absage an die CDU, die schließlich auch von 90 Prozent der Delegierten bestätigt wurde, als „schweren strategischen Fehler“ bezeichnete. Schon im Landesparteirat hatte sie dagegen gestimmt. Auch ihre Kritik an der angeblichen Neuausrichtung als „linke grüne Partei“ war in der Tendenz bekannt. Dann aber hinterließ sei beim Parteitag Fassungslosigkeit und ratlose Gesichter: „Ich will mich nicht beschweren, ich will das nicht behindern. Lebt wohl!“

Später an diesem Abend verlieh die 50-Jährige vor Journalisten ihrer Enttäuschung Ausdruck. Es sei keine Herausforderung mehr, weiterhin die kleinste Oppositionspartei im Landtag zu sein, sagte Hermenau. Dass sie am Kabinettstisch der CDU-Regierung lieber einen Zipfel der Macht in den Händen gehalten hätte, war seit Langem bekannt. Ihre gemeinsamen Zigarillo-Rauchrunden mit dem ehemaligen CDU-Fraktionschef Steffen Flath bedienten den Landtagsklatsch.

Nun will sie vom Kreisverband Dresden, wo sie ziemlich isoliert war, in den Bautzener Kreisverband wechseln. Bereits am Freitag meldete sie ein Gewerbe als selbständige Politikberaterin an.

Vielleicht sogar ein Gewinn

Ein solches Alpha-Tier wie die langjährige grüne Spitzenfrau in Sachsen, die zwischenzeitlich auch haushaltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion war, kann offenbar nicht als Parteisoldatin in die zweite Reihe zurücktreten.

Hermenau wiederum deutete an, dass die Entfremdung zwischen ihr und der Partei bereits vor zwei Jahren bei der Diskussion um die Schuldenbremse begonnen habe. Landesvorsitzender Volkmar Zschocke bedauerte den Rückzug der erfahrenen Politikerin. Zugleich verteidigte er den Verzicht auf schwarz-grüne Regierungspläne, für die es keine ausreichende Basis gäbe.

In den Reihen der Grünen sind aber auch erste Stimmen zu vernehmen, die Hermenaus Ausscheiden als atmosphärischen Gewinn für die überwiegend aus Neulingen bestehende Landtagsfraktion sehen. MICHAEL BARTSCH