„Fünf bis sechs Jahre Unterhalt“

FAMILIENRECHT Eva Becker vom Deutschen Anwaltverein schildert, wie der Bundestag Härten für geschiedene Frauen gemildert hat. Richter hätten wieder „mehr Empathie“

■ 49, ist Fachanwältin für Familienrecht in Berlin und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein. 2008 schrieb sie „Das neue Unterhaltsrecht“.

INTERVIEW CHRISTIAN RATH

taz: Frau Becker, vor einem Jahr hat der Bundestag ein Gesetz beschlossen, um Härten für geschiedene Frauen zu vermeiden. Hat das Gesetz gewirkt?

EvaBecker: Es war auf jeden Fall hilfreich, um die Folgen der Unterhaltsreform von 2008 abzumildern. Allerdings ist die Korrektur noch nicht bei allen Richtern angekommen.

Worum ging es in der ursprünglichen Unterhaltsreform von 2008?

Die Reform erhöhte die Selbstverantwortung nach der Scheidung. Männer sollten nicht ewig Unterhalt zahlen müssen, um eine neue Familie gründen zu können. Von geschiedenen Hausfrauen wurde erwartet, bald wieder eine Arbeit aufzunehmen und sich selbst zu finanzieren.

Zu welchen Härten führte das?

Wenn eine Frau wegen der Kinder den Beruf aufgegeben hatte und nach 20 bis 25 Ehejahren geschieden wurde, dann war sie bei der Scheidung vielleicht 50 oder 55 und hatte auf dem Arbeitsmarkt schlechte Chancen. Und wenn dann noch der Unterhalt des Exmannes nach kurzer Zeit wegfiel, stand sie plötzlich mittellos da. Auch Frauen aus klassischen Mittelschichtsfamilien mussten dann oft Hartz IV beantragen. Da flossen viele Tränen in meiner Kanzlei.

Die damalige Reform sah doch vor, dass ehebedingte Nachteile auszugleichen sind …

Stimmt. Aber was ist ein ehebedingter Nachteil? Es ist schwer nachzuweisen, welches Leben man ohne die Ehe geführt hätte. Vor allem half die Vorschrift Frauen wenig, die mit schlechter Ausbildung in die Ehe gingen. Sie konnten besonders schwer belegen, dass sie ohne die Ehe Karriere gemacht hätten. Manche Männer sagten ihren Exfrauen sogar „Aus dir wäre eh nichts geworden“. Die Unterhaltsreform hat solche Respektlosigkeiten geradezu provoziert.

Wie hat der Gesetzgeber dann reagiert?

Im März 2013 hat der Bundestag das Unterhaltsrecht ergänzt. Eine Begrenzung des Unterhalts ist jetzt nicht mehr möglich, wenn sie „unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre“.

„Es ist schwer nachzuweisen, welches Leben man ohne die Ehe geführt hätte“

Und was hat sich seither verändert?

Die Dauer des gewährten Unterhalts hat sich wieder verlängert. Direkt nach der ursprünglichen Reform 2008 haben Richter in solchen Fällen oft nur ein bis zwei Jahre Unterhalt zugebilligt. Ab 2010 hat der Bundesgerichtshof bereits gegengesteuert und betont, dass eine langjährige Ehe mit traditioneller Rollenverteilgung Indizwirkung für ehebedingte Nachteile hat. In dieser Zeit wurden typischerweise bereits drei bis vier Jahre Unterhalt gewährt. Durch das Signal des Gesetzgebers von 2013 hat sich die Empathie vieler Richter mit den geschiedenen Frauen nochmal erhöht. Bei langjährigen Ehen werden nach meiner Erfahrung nun eher fünf bis sechs Jahre Unterhalt gewährt.

Und auf den Nachweis ehebedingter Nachteile kommt es nicht mehr an?

Das ist noch umstritten. Es gibt noch keine Entscheidung des BGH zur Korrektur von 2013. Wahrscheinlich führt aber eine lange Ehedauer allein nicht zu langen Unterhaltsansprüchen.