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: Gibt es Intelligenz im All? Der Astronaut Ulrich Walter geht der Frage nach

Wir und die ETIs

In der Milchstraße sind wir höchstwahrscheinlich allein, im Universum aber sicherlich nicht. Der deutsche Astronaut Ulrich Walter geht in dem großformatigen Band „Zivilisationen im All – Sind wir allein im Universum?“ munter und frisch den Konsequenzen dieser mittlerweile allgemein verbreiteten Ansicht nach.

Science meets fiction heißt es auf Seite X. Jules Verne gilt als der geeignete Scientologe für das Zitat am Anfang: „Alles, was ein Mensch sich vorstellen kann, werden andere Menschen verwirklichen.“ Was sich Grafiker und Layouter des Bandes unter Zukunft vorstellen, ist dagegen leider recht konventionell geraten: Eine irgendwie billig wirkende Schrifttype, die in der Vergangenheit immer wieder gern im Zusammenhang mit dem Thema Zukunft verwendet wurde, leitet die Überschriften zu den Kapiteln ein, unterbricht mit Zitaten und Heraushebungen.

Die Frage nach den Außerirdischen rührt an das Grundverständnis unseres Seins, bemerkt der Autor und weist darauf hin, dass sie ihm als Astronaut häufig gestellt worden ist. Nun denn. Ulrich Walter geht daran, die Frage nach der ETI (Extraterrestrial Intelligence) zu beantworten, nicht nur fiktiv, sondern sozusagen durchdacht mit Hand und Fuß. Plausibilitätsrechnungen und Wahrscheinlichkeiten befördern dabei, wie er eingangs betont, keine Unwahrheiten oder beliebige Spekulationen, sondern sind die einzige Möglichkeit, dem Thema wissenschaftlich gerecht zu werden. Leider ist es sehr unwahrscheinlich, dass in unserer Galaxie noch andere Intelligenzen herumwandeln, so dass die Kontaktaufnahme mit den allerhöchstwahrscheinlich existierenden Wesen im Universum wohl erfolglos bleiben wird. Die Entfernungen sind einfach zu groß.

Doch von der in der Zukunft anstehenden Kolonialisierung unserer Galaxie durch den Homo sapiens ist der Autor überzeugt. Seine Reise in die Zukunft beginnt so mit einem Blick zurück, in den Kosmos der alten Griechen und ihrer Philosophie, den weltanschaulichen Modellen von der Erschaffung der Erde durch Rotation eines Urstoffs, den die Vernunft eingeleitet hatte.

Dass der Mond durch Tiere besiedelt sei, die keine Exkremente von sich geben, ist dabei eine schöne Wissensergänzung. Dann öffnen sich die Horizonte, Johannes Kepler und der erst vor wenigen Jahren vom Papst rehabilitierte Galileo Galilei („Ich vergebe dir!“) schauen ins All, Ersterer ohne, der Zweite mit Fernrohr. Über die Mondbewohner hatten übrigens beide präzise Vorstellungen. Wir erfahren, dass immerhin einige Streptococcusmitis-Bakterien mit der unbemannten beziehungsweise unbefrauten Mondfähre Surveyor 3 aus Versehen auf den Mond kamen – und schließlich von Walters Berufskollegen nach 31 Monaten wieder lebend eingesammelt wurden.

Einige Besucher aus dem All entpuppten sich bei näherer Betrachtung dagegen als beleuchteter Ausleger eines Baukrans oder als verirrte Leuchtrakete, was in dem unterhaltsamen Band in Text und Bild dokumentiert wird. Sehr schön anzuschauen ist das Wow!-Signal, das erste empfangene außerirdische Signal, dessen wahrer Ursprung jedoch – für immer? – verborgen bleibt. Auch was Menschen so aussenden, hier auf einer Kupferschallplatte, die Voyager 1 und 2 beigelegt wurde, ist ausführlich verzeichnet: Von Mozarts „Königin der Nacht“ bis zum Schmatzen eines Kusses.

Leider werden wir nie erfahren, was die ETIs über diese Klänge denken werden. Aus diesem Grund treibt Ulrich Walter mit interstellarem Antrieb im Antimaterie-Raumschiff in die Weiten des Kosmos, um im Kapitel 5.3 die Auswanderung zu organisieren und die Milchstraße zu kolonialisieren. Das wird die Konsequenz aus einem zukünftigen, ungeahnten Überlebensdruck sein, weiß der im Böblinger IBM-Entwicklungslabor arbeitende deutsche Autor.

An unserer Generation geht allerdings dieser Kelch vorbei. In ein paar Millionen Jahren erst . . . hoffentlich nicht zu spät. Wurde doch erst kürzlich der Zeitpunkt des vermuteten Erduntergangs von Wissenschaftlern um viele Millionen Jahre zurückdatiert.

WOLFGANG MÜLLER

Ulrich Walter: „Zivilisationen im All. Sind wir allein im Universum?“ Akademischer Verlag, Heidelberg 1999. 304 Seiten, 180 Abbildungen, 78 DM