Vor Carl Marx

Im Maelstrom

Ich blickte in den Maelstrom und kaute dabei Streichhölzer. Das Spiel hatte einsam im Netz rumgestanden. Es war von 1992 und ziemlich primitiv. Anfangs war mir die Bedeutung der Dinge, die auf mich zurasten, nicht so klar. Später schon. Ich war ein Grenzpatroullienraumschiffpilot und kämpfte gegen Shenobis. Irgendwie war ich im Maelstrom gelandet. Anders als in der Erzählung von Edgar Allen Poe befindet sich der Maelstrom aber nicht vor der norwegischen Küste, sondern zwischen Alpha Centauri und Beta Carotene.

Asteroiden rasten auf mich zu, automatische Shenobi-Minen wollten mich vernichten, Supernovae explodierten. Ab und zu überflog ich „ACME“-Kanister, in denen sich unter anderem Nuklearwaffen befanden. „Nukes“ waren die Rettung. Sie hatten eine große Streuung. Manchmal flogen brennende Raumschiffe vorbei. Wenn ich die Insassen rettete, bedankten sie sich höflich, und ich bekam ein neues Leben. Furchtbar aber waren ihre Schreie, wenn sie zerschellten. Manchmal schaute ich auf und war erstaunt, dass erst eine halbe Stunde vergangen war; kaum später war es wieder abends. Eben hatte ich doch noch in den Tag gehen wollen. Aus dem eben war dann plötzlich gestern geworden. Die Finger, mit denen ich schoss bzw. das Schutzschild aktivierte, waren schon taub und die Augen glasig zugematscht.

Eigentlich aber war ich auf einem guten Weg. Nach drei Tagen mehr oder weniger ununterbrochenen Spielens war ich siebenmal in der Highscoreliste. Samba Sexy Man und den Saminator hatte ich längst hinter mir gelassen. Nur Carl Marx stand noch vor mir. Als ich dann endlich wieder ins Licht und zu Kaiser’s ging, wusste niemand, dass ich gerade Carl Marx besiegt hatte.

DETLEF KUHLBRODT