Ehemaliges Pop-Wunderkind Beck: Okay reicht nicht, Herr Hansen

Familiäres Glück scheint für musikalische Quantensprünge abträglich zu sein - lässt das neue Album von Pop-Kauz Beck vermuten, für das er DJ Danger Mouse eingeladen hat.

Gute Songs? Gibt es keine: Beck. Bild: dpa

Ein Überwerk ist es nicht geworden, das neue Album "Modern Guilt". Keine Zerschmelzung zweier Genres zu einer musikalischen Neuerfindung wie in "Mellow Gold" und noch besser im Nachfolger "Odelay", keine Parodie von Prince wie in "Midnite Voltures", kein großartiges Trauerphasenalbum wie "Sea Change". "Modern Guilt" ist wie seine beiden Vorgänger "Guero" und "The Information" einfach nur ein okayes Beck-Album geworden. Es hat gute Riffs, kleine, nette, eingängige Melodien, radiofähige Einwegsongs. Und eine halbwegs ambitionierte Produktion, aber das hatte der genauso okaye, aber auch nicht weiter tragende Vorgänger "The Information" von 2006 eben auch.

Für die Produktion hat Beck den Strategen Brian Burton alias Danger Mouse organisiert, bekannt von seiner halblegalen Verquickung von Jay-Z und den Beatles ("The Grey Album"), seiner Arbeit bei den Gorillaz und eine Hälfte von Gnarls Barkley, die im Märchensommer 2006 den Hit "Crazy" hatte. Vielleicht ist Danger Mouses Zauberkraft auch verloschen, der relative Flop des diesjährigen Gnarls-Barkley-Albums "The Odd Couple" weist darauf hin. Auf "Modern Guilt" beschränkt sich Burton aufs Wesentliche; er lässt die Gitarren schön schnalzig klingen, fügt ein paar Streicher da hinzu, wo Streicher hingehören, und verlässt sich ansonsten auf seine Gabe, Beats rappeln zu lassen. Dazu ein paar obskure Störgeräusche, um dem Werk eine gewisse Spookyness zu verleihen. Aber diese Störgeräusche und all das andere gab es auf "The Information" auch schon. Was bliebe, wären gute Songs. Aber gute Songs gibt es keine. Sicher bietet das träge Sommerdiskostück "Youthless" einen Ansatz, den man weiter verfolgen könnte, und "Gamma Ray" hat einen knackigen Riff, und irgendwo soll es ein Duett mit Chan Marshall (Cat Power) geben, aber auch das fällt auch erst nach fleißiger Rotation auf.

Die Größe schimmert in der einen oder anderen Idee immer mal auf, so auch im Schlussstück "Volcano", aber die genuinen Ideen bleiben aus. Das betrifft vor allem die Gesangslinien - man könnte gar von Faulheit sprechen. Zur Verteidigung von Beck sei allerdings gesagt, dass 95 Prozent aller derzeit erscheinenden Platten von großer Einfallslosigkeit, was interessante Gesangsmelodien betrifft, befallen sind. "Modern Guilt" ist da keine Ausnahme.

Es natürlich auch kein schlechtes Album. Für ein ehemaliges Wunderkind wie Beck nur zu wenig. Die Größe von "Odelay" oder die Erhabenheit von "Sea Change" erreicht das Album nie. Man sagt ja, Beck Hansen habe einmal eine Liaison mit Winona Ryder gehabt. Als diese von dieser beendet wurde, hat Beck gleich beide Möglichkeiten ausprobiert, mit Liebeskummer umzugehen; die richtige und die falsche. Die richtige: sich ans Werk setzen, die Trauer in Stücke gießen, das gute, alte Spiel der Kompensation betreiben. Heraus kam eine der erschütternde Liebeskummerplatte, mit intergalaktisch scheinenden Streicherarrangements, toll erratischen, klasse bekümmerten Texten und eben großen Melodien.

Die falsche Art, mit Liebeskummer umzugehen: Man wendet sich an Übersinnliches, an die Religion. Beck wurde fortan häufiger auf Celebrity-Veranstaltungen von Scientology gesehen, einer Sekte, die Science-Fiction, Geldgier und esoterisch verwaschene Psychologie zu einer religiösen Bewegung vereint. Zwar weigert sich Beck meistens, in Interviews auf sein dortiges Engagement einzugehen, gesehen wurde er aber doch. Von einem seiner inzwischen auch recht rasch verglühten musikalischen Jünger mit Namen Adam Green hörte man sogar, Beck habe ihn zum Beitritt überredet. Andere Quellen sagen, Beck sei schon seit seiner Geburt Mitglied dieser Sekte gewesen. Wie dem auch sei: Religion und musikalisches Genie schließen sich, wie man quer durch die Popgeschichte (Elvis, Dylan, Cat Stevens) sehen kann, grundsätzlich aus. Nur familiäres Glück scheint dem Gefühl für musikalische Quantensprünge noch abträglicher zu sein. Beck Hansen ist seit vier Jahren glücklich mit der Schauspielerin Marissa Ribisi verheiratet; fast ebenso lang ist der gemeinsame Sohn Cosimo Henri auf der Welt. Ein Jahr später erschien "Guero".

Ob also jemals wieder eine große Innovation von ihm ausgeht, ist fraglich. Familienglück gönnt man jeder und jedem, das ist gesellschaftlich und privat ein hohes Gut. Vielleicht sollte man in die Religion Hoffnung setzen - beziehungsweise darauf, dass Beck Hansen mit dieser irgendwann einmal bricht. Ein großes Verarbeitungsalbum könnte folgen. Wir warten.

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