opernstreit berlin, architektur, bürgermeister etc.
: Ein Denkmal für die DDR

Berlin hat drei Opern, und damit mindestens eine zu viel. Der Finanzsenator findet das sowieso schon immer, aber sein Chef, der Regierende Bürgermeister Wowereit (und Kultursenator in Personalunion) lässt sich gerne dafür loben, dass er angeblich alle drei erhalten will. Mit besonders viel Getöse setzte er sich insbesondere für die Staatsoper Unter den Linden ein. Sie muss dringend saniert werden, und Wowereit schaffte es tatsächlich, den Bund zur Übernahme der Kosten zu überreden. In Wirklichkeit möchte er sie möglichst schnell loswerden. Anders ist seine neueste Entscheidung nicht zu verstehen, die er nun, nach einem Spitzengespräch mit dem Kulturstaatsminister Neumann, verkündet hat. Die Staatsoper wird saniert, aber nicht, damit dort Opern aufgeführt werden können. Vielmehr solle der Zuschauerraum „denkmalgerecht“ wiederhergestellt werden, ließ er verlauten, im sicheren Gefühl, immer auf der rechten Seite zu stehen.

Das Wort „rechts“ muss man politisch nehmen. Eine äußerst unheilige Allianz von Ewiggestrigen der PDS und CDU, begleitet vom anschwellenden Kriegschor einer ganzen Phalanx konservativer Feuilletonisten, hat dafür gesorgt, dass alles bleibt, wie es ist: nämlich schlecht für die Ohren und für die Augen von all denen, die in die Oper gehen, weil sie dort Kunst von heute suchen.

Denn das Denkmal, das da angeblich erhalten wird, ist das Denkmal einer totalitären Kulturpolitik, die verlogener kaum sein könnte. Kaum war das durchaus wiederherstellbare Stadtschloss der Hohenzollern weggesprengt, bekam der Architekt Richard Paulick den Auftrag, die Staatsoper im Stil des preußischen Rokoko-Klassizismus neu aufzubauen. Das 1955 fertig gestellte Ergebnis war die bloße Illusion vergangener Pracht, bezahlt mit einem sehr realen Mangel an akustischer Qualität und Sichtbehinderung auf einem Viertel der Plätze.

Klarer Gewinner des Wettbewerbs, den der Senat für die finanziell endlich gesicherte Sanierung ausschrieb, war deshalb der Entwurf des Architekten Klaus Roth. Er lässt das dem Knobelsdorff’schen Original von 1741 weitgehend entsprechende Gebäude unversehrt, entrümpelt aber den Zuschauersaal so gründlich, dass er nun endlich ein Saal für große Opern wird. Kein Stuck, keine Logen, gute Sicht auf allen Plätzen und – vor allem – genügend Nachhall für Wagner (bisher war dafür elektroakustische Verstärkung notwendig). Zu Recht lobt die Jury die „intensive Auseinandersetzung“ des Entwurfs sowohl mit der „gesamten Aufgabe“ als auch mit dem „historischen Gebäude“. Berlin hätte die Chance gehabt, mit einem wirklich gelungenen Beispiel historischer Fortentwicklung aus den Ruinen zweier deutscher Diktaturen seinem Ruf als Opernmetropole gerecht zu werden.

Die Chance ist vertan, möglicherweise muss der Wettbewerb neu ausgeschrieben werden. Gebaut wird kein Saal für die Kunst, sondern Nippes fürs Gefühl, irgendetwas, das aussieht wie Paulick, Hauptsache Stuck, Blattgold, Kronleuchter und Logen. Die Leute, die dafür verantwortlich sind, sind übrigens dieselben, die eben noch schwer dafür waren, den Palast der Republik abzureißen, der im Gegensatz zu Paulicks Preußen-Nostalgie ein respektables Werk der DDR-Moderne war.

Daniel Barenboim hofft immer noch tapfer, dass trotz allem die Akustik wenigstens ein bisschen besser wird. Das ehrt ihn, weil es ihm um seine Oper geht, aber der Landesdenkmalrat hat schon einen Vorschlag auf den Tisch gelegt hat, der einen anderen Weg vorschlägt: Weil das Denkmal der DDR-Kulturpolitik nun mal erhaltenswert sei, müsse man dort eben dazu passende, kleinere Werke spielen. Für die großen Opern stehe nämlich schon lange die Deutsche Oper zur Verfügung. Wohl wahr, Fritz Bornemanns Gebäude an der Bismarckstraße ist ein bedeutendes Beispiel der Nachkriegsmoderne mit exzellenter Akustik. Nur ist diese Lösung mit Sicherheit das Ende der Staatsoper. Dafür braucht man keinen Barenboim, keine Staatskapelle, nicht einmal einen Intendanten, der auch gerade noch gesucht wird. Man kann das Ganze dann getrost dem Tourismus-Marketing überlassen. NIKLAUS HABLÜTZEL