Ein Sommermärchen für China

Wie man ausreichend große Augen macht: Der Filmregisseur Zhang Yimou inszeniert die Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele in Peking

Großen Sportveranstaltungen gehen oft peinliche Inszenierungen voraus. Wenn die Champions League im Fußball ihr Finale abhält, lässt sie vorher gern begnadete Körper zu kühnen Verrenkungen antreten, und wenn die Olympischen Spiele den Fahneneinzug der Nationen vorbereiten, sieht die Choreografie nicht selten so aus, als wäre sie in Nordkorea geprobt worden.

Die Eröffnung der 29. Olympischen Spiele am 8. August in Peking muss auch wieder alles zugleich sein: buntes Spektakel und gleichgeschaltete Bewegung, Selbstdarstellung Chinas und globale Folklore. Der Mann, der diese Inszenierung verantwortet, weiß aus seinem eigentlichen Beruf, wie man für große Augen sorgt: Zhang Yimou ist Filmemacher, und zwar der zurzeit bekannteste.Seit mehr als zwei Jahren plant er schon an den beiden Rahmenzeremonien der Olympischen Spiele. Um die Bedeutung des Ereignisses auch im Westen deutlich zu machen, holte er Steven Spielberg an seine Seite, der allerdings später wieder absprang – die guten Beziehungen der Volksrepublik China zum Sudan waren dem um die Menschen in Darfur besorgten Hollywood-Regisseur ein Dorn im Auge.

Politik spielt von allen Seiten in die Aufgabenstellung von Zhang Yimou hinein. Er muss Symbole finden, die stark genug sind, um gar nicht erst Gelegenheit zu Kontroverse zu geben. Mit seinen Filmen hat er bewiesen, dass er sich auf einen staatstragenden Umgang mit der Tradition versteht. Vor allem das historische Schwertkampfabenteuer „Hero“ (2002) wurde vielfach als Feier einer starken chinesischen Autorität verstanden.

Für Zhang Yimou war es ein weiter Weg zu dieser Sonderstellung zwischen Kultur und Regime, die er heute besetzt. Er gehört zur berühmten „fünften Generation“ der Filmschule von Peking. 1982 schloss er ab, seine ersten Filme wie „Das rote Kornfeld“ waren visuell prächtig und ließen dem internationalen Publikum ausreichend Möglichkeiten zu einer Lesart, die kritisch gegenüber der (neofeudalen) Parteidiktatur in China war. In den Neunzigerjahren begann mit der wirtschaftlichen Liberalisierung der Aufstieg des Landes zur Supermacht. Und Zhang Yimou wurde, nach einigen Zwischenstationen wie dem fast neorealistischen „Die Geschichte der Qiu Ju“ mit seiner damaligen Frau Gong Li in der Hauptrolle, zum filmischen Begleiter des Booms. Er machte das klassische Wuxia-Genre zu einer globalen Attraktion und einem Exportschlager und hob damit nebenbei auch das großchinesische Starsystem auf ein neues Niveau: Hongkong und das Festland sind in der Verehrung für Tony Leung oder Zhang Ziyi vereint.

Nun steht Zhang Yimou vor seiner größten Herausforderung: ein Sommermärchen für China zu inszenieren.

BERT REBHANDL