Hinter den Kulissen von Paris...

In „So ist Paris“ von Cédric Klapisch spielt die Stadt die Hauptrolle

Auch Francois Truffaut hatte seine kleinen Gastauftritte. Er war zwar viel zu bescheiden, um wie sein Idol Alfred Hitchcock seine Werke mit kleinen Selbstinszenierungen zu signieren, aber wann immer es auch nur halbwegs plausibel war, schmuggelte er Ansichten vom Eifelturm in seine Filme. Die berühmten Frauenbeine kamen bei ihm erst an zweiter Stelle - noch wichtiger als diese Fetische war ihm seine Liebeserklärung an Paris.

Außer New York wurde keine Stadt im Kino so gefeiert. Da ist ein Filmtitel wie „So ist Paris“ schon ein wenig vermessen, und der Originaltitel „Paris“ zeugt auch nicht gerade vom mangelndem Selbstbewusstsein des Regisseurs. Cédric Klapisch hatte in den letzten Jahren große kommerzielle Erfolge mit seinen Ensemble-Filmen „L’Auberge Espagnole - Barcelona für ein Jahr“ und „L’Auberge Espagnole - Wiedersehen in St. Petersburg“ . Mit den kleinen Episoden, die nebeneinander herlaufen und sich eher atmosphärisch als dramaturgisch zu dem Portrait eines Ortes und der Menschen, die in ihm leben, zusammenfügen, hat der Regisseur darin einen nicht unbedingt neuen, aber sehr wirkungsvollen Erzählstil entwickelt. Nach diesem Erfolgsrezept ist auch sein neuer Film zusammengesetzt.

Mit fast soziologisch wirkendem Ehrgeiz erzählt Klapisch dabei von Menschen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten der Metropole. Das reicht von einem Kameruner Bademeister, der sich auf die illegale Reise nach Paris begibt, weil er dort die schönen französischen Touristinnen wiederzutreffen hofft, bis zu einem Geschichtsprofessoren, der zwar über die populärwissenschaftlichen Sendungen im Fernsehen die Nase rümpft, dann aber selber vor der Kamera als gut bezahlter Stadtführer über das historische Paris schwätzt. Einige Erzählstränge sind wie farbige Fädchen, die nur kurz im Gewebe der Parallelmontagen auftauchen und wirken, als seien sie lediglich gedreht worden, um das weite Spektrum des Films zu demonstrieren. Aber die meisten Geschichten sind sorgfältig erzählt und mit einem zärtlichen Blick aufs Detail inszeniert.

So mag dies ein Unterhaltungsfilm sein, der oft dem Kitsch sehr nahe kommt, aber er ist auch intelligent gebaut und mit einigen der besten französischen SchauspielerInnen einfühlsam in Szene gesetzt. Wer schmilzt etwa nicht dahin, wenn Juliette Binoche als soziale Sozialarbeiterin mit ihren Kindern zu ihrem Bruder zieht, der als ehemaliger Tänzer im Moulin Rouge am schwachen Herzen leidet und von Romain Duris als ein schöner sterbender Schwan verkörpert wird. Mélanie Laurent ist als Studentin eine jener schönen Jungstars, an denen das französische Kino scheinbar einen unerschöpflichen Nachschub besitzt und Fabrice Luchini, den man seit seinem Debüt als linkischen Jüngling in „Claires Knie“ von Eric Rohmer im Kino bei Erwachsenwerden zusehen konnte, beklagt sich in der Rolle des Historikers über die Plagen des Älterwerdens.

Auf den ersten Blick ist dies eine europäische Variante von Robert Altmanns „Short Cuts“, aber als Inspirationsquelle liegt das Werk von Honoré de Balzac viel näher. Auch dieser erzählte in der Form eines „planlosen, und doch so genau konzipierten Durcheinanders“ (Dürrenmatt) vom Paris seiner Tage, und beherrschte dabei sowohl den hemmungslos melodramatischen Effekt wie auch die scharfsinnige, gesellschaftskritische Analyse. Diese verbirgt Klapisch zwar meist geschickt im Subtext, aber mit Figuren wie seiner rassistischen Bäckereibesitzerin verhindert er, dass sein Paris allzu verführerisch wirkt. Wilfried Hippen