berliner szenen Erkenntnis in der Hitze

Weniger stinkt mehr

Irgendwie war es immer heißer geworden, und in den Straßen begann es nach Scheiße zu riechen. Ich hätte es gar nicht bemerkt, wenn E. mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätte. Abends hatten wir am Landwehrkanal gesessen und die Schwäne gezählt. Es waren 33, und E. hatte erzählt, dass man im fernen Schöneberg die Gullys vor manchen Kneipen schon mit Teppichen bedecken würde, um den Fäkalgeruch daran zu hindern, nach oben zu kommen.

Das alles habe nicht mit einer Überbelastung, sondern mit einer Unterforderung der Kanalisation zu tun, die für mehr Menschen und Betriebe gedacht war. Weil so viele Betriebe im Osten nach 89 geschlossen wurden, die Einwohnerzahl Berlins gesunken ist, anstatt zu steigen, weil die Menschen auch aus ökologischen Erwägungen nur noch selten ihr Bier bei laufendem Wasser kühlen und die Klimaveränderung zu heißeren Sommern geführt hat, stehe die Kloake in der Kanalisation oft, anstatt zu fließen. Das führe eben zu diesem Gestank.

„Wir brauchen also nicht so sehr mehr Touristen, sondern vor allem mehr Mitbewohner in Berlin.“ Der Satz klang gut, auch wenn er nicht ganz stimmte. Auch müsste man dringend die beiden Ufer am Urbanhafen umpflügen und neue, weichere Erde dazutun. Der Boden, auf dem man hier schon seit Jahren so sitzt, ist hart wie Stein. Das dafür benötigte Geld ließe sich schnell verdienen, indem man das ehemalige Theaterschiff TAU, das hier seit Jahren vor sich hin schimmelt, zu einem Guest House, Sleep-in oder Café umbauen würde. Verschiedene Gesetze und damit zusammenhängende Unklarheiten, vielleicht auch Idioten in den Bezirksämtern, verhindern das bislang.

DETLEF KUHLBRODT