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: Zu viel Dalí, zu wenig Goethe

Ein Sommertheater mit Folgen bewegt Weimar. Das Haus der Frau von Stein steht kurz vor dem Verkauf an den spanischen Investor Joan Xavier Bofill. Dieser verspricht, das desolate Gebäude denkmalgerecht zu sanieren und eine Dauerausstellung von Dalí-Werken und weiteren Werken der modernen Kunst einzurichten. Er will das Haus gar zu einem internationalen Kunstmagneten machen. Über eine künstlerische Verbindung zu Goethe & Co. oder dem Bauhaus ist indes nichts bekannt. Daher ist die Empörung nun groß und die Kritiker fordern eine strikte Nutzung im Sinne der Weimarer Klassik.

Besitzerin der Immobilie ist die Stadt Weimar. Die aber kann das Objekt weder tragen noch die Restaurierungskosten von über 1,5 Millionen Euro übernehmen. Man habe das Haus bereits 2006 der Klassik Stiftung Weimar zur Übernahme angeboten, was diese schriftlich ablehnte. Auch an der zweiten Ausschreibung habe sich diese nicht beteiligt. Die Stiftung wiederum ist pikiert, nicht erneut gefragt worden zu sein.

Denn inzwischen hat sich die finanzielle Lage der Stiftung gewandelt. Dank einer Sonderzuwendung von Bund und Land wurde die Klassikverwalterin mit 90 Millionen Euro bedacht. Laut Zitat der Thüringer Allgemeinen erwog Stiftungspräsident Hellmut Seemann noch Mitte der Woche den Kauf des historisch bedeutsamen Hauses. Unterdessen lenkte eine Sprecherin der Stiftung ein. Die Gelder seien gebunden, eine andere Verwendung von den Zuwendungsgebern abhängig. Gestern versuchten Stiftung und Stadt sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben.

Derweil wartet auch Kunstfest-Chefin Nike Wagner mit einem potenziellen Käufer auf. Der Mäzen Michael McKenzie bietet an, die Immobilie zu sanieren und neben der Eigennutzung zeitweilig auch dem Kunstfest Räumlichkeiten zu überlassen.

In Merseburg, wo Joan Xavier Bofill schon länger ein Dalí-Museum einrichten möchte, regen sich indessen Zweifel an der Seriosität des Investors. Die Stadt lässt die angebotenen Leihgaben auf Anraten der offiziellen Dalí-Stiftung auf ihre Echtheit hin prüfen. Zudem zeigt sich Merseburgs Bürgermeister Jens Bühligen nicht begeistert, eine Anschubfinanzierung von mehreren Millionen zu zahlen. Das zeitgleiche Umwerben Bofills sollte beide Städte stutzig machen. Zwei Dalí-Museen in der Region?

Das Haus der Frau von Stein gehörte einst der Goethe-Freundin Charlotte von Stein (1742–1827). Jetziger Mieter ist eine Dependance des Goethe-Instituts. Dessen Präsident Klaus-Dieter Lehmann kritisierte, das Haus gehöre zur „Kernzone der Weimarer Klassik“, die Verkaufspläne bezeichnete er als surrealistisch. MARKUS WECKESSER