TREFFSICHERE SÜFFISANZ: JEAN-PHILIPPE DELHOMME MOKIERT SICH ÜBER ZEITGENÖSSISCHE KUNST

Jean-Philippe Delhomme ist ein ebenso fabulöser Illustrator wie intelligenter Autor. „Zeitgenössische Kunst“, sagt er im Vorwort seines Bands gleichen Titels, „hat von vornherein nichts mit Malerei zu tun oder mit Körpersprache, mit Videos oder ausgestopften Teddybären.“ Sondern – das sagt er zwar nicht, aber zeichnet es unmissverständlich – zeitgenössische Kunst meint von vornherein nichts anderes als Lifestyle. Glücklicherweise liebt Jean-Philippe Delhomme Lifestyle, was den Sempé-Touch seiner Bilder erklären könnte, obwohl sie dessen Strich nicht im Leisesten ähneln.

Nach seinem Abschluss im Fach Animation an der L’École Nationale des Arts Décoratifs in Paris 1985 arbeitete der 1959 in Nanterre geborene Künstler gleich für die britische und japanische Vogue. Die alternative Anzeigenkampagne zur Fotowerbung, die er Anfang der 90er-Jahre für das New Yorker Designermoden-Warenhaus Barney’s entwickelte, war so erfolgreich, dass sie es als Animationsfilm sogar in die US-Fernsehwerbung schaffte. (Auch seine neuesten Animationen auf www.jphdelhomme.com sind unbedingt sehenswert.) In seinen schnell hingeworfenen Farbgouachen gibt er, was die Schwächen und Exzesse der Mode- und der Kunstwelt angeht, mehr den Komplizen als den Kritiker. Dabei hebelt er die in „Galerien“, „Künstler“, „Assistenten“, „Sammler“ etc. sortierte Szene durch treffsichere Süffisanz aus: „Über das Malerische hinaus gibt es bestimmte Werke, deren Ausdruckskraft nur in alten Industrieräumen zur Geltung kommt“, ist etwa unter der Laderampenansicht zu lesen. Delhommes Kunst wiederum kommt in Buchform bestens zur Geltung. Schade nur, dass es sieben Jahre für die deutsche Veröffentlichung brauchte. „Mein Dank gilt den starken Medikamenten, die ich einnehme, um eine Krise seelischer Verwahrlosung zu überwinden: Ohne sie hätte ich niemals die nötige Opferbereitschaft aufgebracht, mir dieses Filmkunstwerk (44 Min., 16 mm, optischer Ton) über ein Berliner Drehrestaurant anzusehen.“ 2001 war das eben noch cutting edge. BRIGITTE WERNEBURG

Jean-Philippe Delhomme: „Zeitgenössische Kunst“. Aus dem Französischen von Florian Grimm. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2008, 96 Seiten, geb., 18,90 €