der staatsschatz etc.
: Volkes Schokotaler

Auf dem Plakat zur Sonderausstellung „Staatsschatz“, die das Finanzministerium zum Tag der offenen Tür am Wochenende präsentiert, blendet das helle Gleißen aus einer Schatztruhe. Versprochen werden die „größten Schätze unserer Zeit“. Die Ukraine bekam 1954 von Chruschtschow die Krim geschenkt. Aber deutschen Kanzlern schenkte man Zigarren. Was soll sich da also schon angesammelt haben? Oder hütet der Staat ein Geheimnis: Vielleicht die Bundeslade? Gold? Adolf Hitlers rechte Hand? Überall im Hof und Gebäude stehen die hübschen jungen Hostessen des Ministeriums und weisen den Weg. Ihre roten T-Shirts mit goldener Schrift weisen sie als „Staatsschatz“ aus.

Es wird eine Führung durch die langen Flure des Gebäudes angeboten. Sogar das Büro von Peer Steinbrück darf man betreten und im Konferenzsaal sitzen, der wieder so aussieht wie in der Nazizeit. Das Haus gibt sich Mühe, seinem Ruf nicht gerecht zu werden, und lässt Schauspieler auf Inlineskates Schriftsteller rezitieren, um die es finanziell schlecht bestellt war. Schnell hat das Finanzministerium die Lacher auf seiner Seite, Oscar Wilde und Schiller sei Dank.

Draußen gibt es fettes Essen und in Zollbeamtenuniform spielt die „Combo Zolla“, ein Riesenrad hat nicht in den Hof gepasst. In der Empfangshalle läuft ein Live-Ticker, über den die Schriftstellerin Ulrike Draesner das Geschehen kommentiert. „Die Halle mit Menschen gewinnt immens. Das ist die einzige Weise, diese auf Macht ausgerichtete Halle zu entmachten.“ Bauherr Göring hat bei der Planung Großes geleistet, man kann sich der Atmosphäre nicht entziehen und wird poetisch. Auch Joachim Helfer packt es: „Kinder laufen die Treppe hoch zum Staatschatz, der sie selber sind.“ Und jetzt ist es auch schon raus – der Staatsschatz besteht nicht aus goldenen Löffeln, sondern aus Leihgaben, die symbolisch für etwas Größeres stehen, darunter Babyschühchen (Familie) oder Schulhefte (Bildung) – und uns selbst. Tritt man vor einen Spiegel, heißt es: „Hallo, hier spricht dein gutes Gewissen. Danke, dass du nicht schwarzarbeitest. Das ist wirklich fair von dir.“ Der Staatsschatz, der den Spiegel betreut, lotst die Besucher durch die Lichtschranke. „Danke, dass du Steuern zahlst!“

Am Ende der Ausstellung wird es dann ernst. Mit einem Schokoeuro soll man verantwortungsvoll haushalten. Einen Euro für Familie, Bildung, Forschung oder doch den Mittelstand? Im Gästebuch steht: „Der Schokotaler hat lecker geschmeckt.“ Und so war es. Danke, Staat! SONJA VOGEL