DESIGNER-PARTY
: Auf der Betonterrasse

Für alle, die nicht mehr jeden Unsinn ertragen

Tina ist schuld. Sie hatte die hippe Galerie empfohlen, die früher in Manhattan, genauer noch in Chelsea war und jetzt in Mitte versteckt ist. Okaye Ausstellungen – aber sonst? Ich meine: „Dieser Bereich wird videoüberwacht – Auswärtiges Amt“, warnt ein Schild an der Ecke. Und man wüsste nun zu gerne, wieso. Auf den ersten Blick gibt es in dem Nicht-Kiez am Spittelmarkt nicht viel zu beobachten: Hier parkt maximal ein Fünfer-BMW aus UK falsch, dort rostet höchstens ein Hollandrad vor sich hin und die Friedrichsgracht ist auch nicht gerade das Horn von Afrika.

Spannend ist da nur die erratisch anmutende Versammlung disparater Immobilien, die sich im Schatten der mächtigen Platten entfaltet: Kitschige Townhouses für solvente Neu-Städter, funktionale Ost-Moderne, mittenmang ein einsames Bürgerhaus aus der Efeu-Liga und anonyme Bürobauten. Andererseits schafft, wie sich jüngst wieder in den nebenan gelegenen „Workshop“-Räumen eines international hippen Design-Magazins bei einem Empfang zeigte, gerade jene urbane Unwirtlichkeit ein Refugium für alle, die professionell rumgehen und nicht mehr jeden Unsinn ertragen wollen.

Klare, weiße Räume, darin Stühle von Grcic, Bless oder Ikea und eine Vitrine mit Fotos voller Vanitasmetaphorik, Kapitalismuskritik und tätowierter Fans der „Arsenal Gunners“. Dazu Mucke von Public Enemy, Mobb Deep und ein paar triggerhappy Westküsten-Baddies sowie eine gut sortierte Bar – nicht nur Aperol, Campari und Jim Beam im Haus, sondern auch „Saskia Classic Medium“ von Lidl. So kamen dann auf der vorgelagerten Betonterrasse, deren einzige unüberwachte Ecke nach Aussagen der Anlieger ausweislich rumliegender Kippenberge auch von Ordnungshütern gern für Rauchpausen genutzt wird, alle auf ihre Kosten. Bis auf Tina – die feiert jetzt in der Friedrichstraße. GUNNAR LÜTZOW