Eiseskälte, „Daisy“ etc.
Netter Hund

Am Sonntag hatten wir Badminton spielen wollen. Das Problem war der Schnee, der zwischen uns lag. Vor allem ich war weit weg, am Innenstadtrand sozusagen, im grünen Treptow, das in dieser Zeit ziemlich weiß geworden war. Die anderen wohnten schon immer im Modebezirk Mitte, vielleicht auch in Prenzlauer Berg, so genau weiß ich das nicht. Der Termin war recht wichtig, wir hatten lange nicht gespielt, weil unsere Lieblingshalle seit Monaten geschlossen ist. U. war durch eine lobende Postwurfsendung auf eine andere Halle aufmerksam geworden. Der Plan war gewesen, dass ich entweder zu den Freunden fahren sollte und mit den Freunden dann im Auto zur Halle oder gleich ganz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur neuen Halle. Die Fahrt hätte über eine Stunde gedauert. Er hatte mir die ganzen Fahrverbindungen extra rausgesucht und per E-Mail geschickt; ich hatte gesagt, ich würde mit dem Fahrrad kommen. Er hatte gesagt, ich sei ein Idiot, und ich war dann doch gefahren.

Meine Macht der Gewohnheit besteht auch darin, eigentlich nie mit der BVG zu fahren, weil man muss sich schon entscheiden: entweder Zigaretten oder BVG. Die anderen Fahrräder im Hinterhof waren lang nicht mehr gefahren und sahen schön aus, wie sie bis zu den Knien im Schnee so herumstanden. Manchmal fuhr ich im ersten Gang und freute mich über die Autos, die in ihren Parklücken stecken blieben. Und dann war ich nach einem Drittel der Strecke, auf der Warschauer Straße am Sonntag, als „Daisy“ auch mal kurz in Berlin war, nicht an der verschneiten, teils vereisten Straße gescheitert, sondern an den falschen Handschuhen. Die Hände hatten sehr gefroren und wären kaputtgegangen; nach einem Drittel der Strecke hatte ich aufgegeben, hatte die Handschuhe ausgezogen, hatte U. angerufen und gesagt, dass ich nicht käme, dass ich jetzt nach Hause gehen, mich ins Bett legen und zur Strafe auch keinen „Tatort“ mehr gucken würde; U. hatte mich zu Recht zur Sau gemacht am Telefon, so beschimpft worden war ich seit meiner Schulzeit nicht mehr, ich hatte meine Handschuhe wieder angezogen und mein Rad dann nach Hause geschoben.

Das Wetter, dass ich kurz zuvor noch super gefunden hatte, kam mir nun garstig und feindlich vor. Es war aber schön, mein Fahrrad wie einen Freund zu schieben, dem man die Mühe ersparen möchte, einen den ganzen Weg auf dem Rücken zu tragen, bzw. neben dem Fahrrad wie ein netter Hund zu laufen; manchmal war ich auch, eher aus Spaß, ein bisschen gefahren, und die wenigen Radfahrer, die einem entgegen- und dabei auch nicht schneller vorankamen als die Fußgänger, hatten gegrinst.

DETLEF KUHLBRODT